Gedichte An H. Martin Christenien

Über Ableben dessen Vatern / Mutter und Schwester.

Liebster nach dem Liebsten du /
O du meiner Freunde Seele /
Gieb doch / Bruder / gieb doch zu /
Daß ich mich mit dir auch quäle /
Der du in viel Todten stirbst /
Und in keinem doch verdirbst.

Ach! was ist das Leben doch /
In dem nichts als sterben lebet.
Ärger ist es / ärger noch /
Als der Todt der vor uns schwebet /
Der / wie sehr man nach ihm greifft /
Stetigs weicht und von uns läufft.

Über das so große Leid /
Daß der ungestüme Würger
Nun so eine lange Zeit
Gegen dich und seine Bürger
Außgeübt / und noch hält an /
War dein größtes nicht gethan.

Dein Raub aus so mancher Noth /
Dein Trost / deiner Jugend Freude /
Alles ist auff einmahl todt /
Ihm zur Ruh und dir zu Leide.
Deine Liebsten von der Welt
Hat das strenge Recht gefällt.

Drey auff einmahl ist zu viel.
Vater / Mutter / Schwester fallen.
Was ist deiner Hoffnung Ziel /
Du betrübtster unter allen?
Eine Grufft hat sie und dich /
Und den andern dich / auch mich.

Wie ist aber ihm zu thun?
Was so hin ist kömmt nicht wieder.
Wol dem / der in sich kan ruhn /
Der läßt seine Segel nieder /
Wenn das Wetter hat sein Spiel /
Und der Wind nicht fugen wil.

Laß den Zeiten ihren Lauff.
Was der Himmel heißt geschehen /
Das hält man vergebens auff.
Auff den Höchsten muß man sehen /
Der uns dreyfach offt betrübt /
Weil Er uns auch dreyfach liebt.

Tröste dich und schau auff mich.
Ich verzeihe mich der meinen.
Heute trifft das Elend dich.
Ich vielleicht muß morgen weinen.
Bevoraus / weil ich forthin
Weit von Euch / ihr lieben bin.

Mutter Deutschland / und auch ihr /
Vater / Mutter / Schwester / Freunde /
Mein / erläubet diß doch mir /
Daß ihr mehr wünscht eurem Feinde /
Daß ich ferner Länder Zier
Unserm Meissen setze für.

Ist mir Gott und Glücke gut /
Daß ich mit gelehrten Küssen /
Wie mein Opitz täglich thut /
Euch hinwieder soll begrüßen /
Denn soll meiner Verse Lust
Auch bey Fremden seyn bewust.

Meynt nicht / wie der Pöfel spricht /
Mitternacht sey gantz ohn Ehren.
Persien das habe nicht /
Was uns könne Weißheit lehren.
Denckt / daß in der Barbarey
Alles nicht barbarisch sey.

Meine Poesie steht hier /
Und verpflichtet sich bey treuen /
Dermahl eins soll ihre Zier
Nur zu eurer Lust gedeyen.
Euer ists / was sie begehrt /
Und in fremder Welt erfährt.

Du indessen / denck‘ an dich /
O du Hertze voller Sorgen /
Denck‘ an dich / und auch an mich /
Und an jenen lieben Morgen /
Da dein Leid und meine Pein
Erst soll recht bethauret seyn.


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Gedichte An H. Martin Christenien - Fleming