Gedichte Der Königsstuhl bei Rhense

Weise: „In des Waldes düstern Gründen.“

Neu gebaut beim alten Rhense
Steht der Wahlstuhl wiederum,
Aber Enten, ach! und Gänse
Weiden schnatternd drum herum.

Wo einst Wahlen hielt das Wahlreich,
Und der Reichsaar trotzig schrie,
Dorten, feierlich und zahlreich,
Grast nun zahmes Federvieh.

Ach! und aus den Weidenbüschen
Eilt kein Kurfürst mut’gen Schritts;
In den sieben hohen Nischen
Leer und öde jeder Sitz!

Dennoch freut es, ihn zu schauen,
Stattlich, wie er vormals stand,
Als aus nah und fernen Gauen
Deutschland Boten ihm gesandt;

Als man Kampf beriet und Schlachten
Hier im offnen Steingemach
Und geschickt mit selbstgemachten
Kön’gen spielte hohes Schach;

Als ins Banner schwarzrotgolden
Frisch und frei der Rheinwind blies;
Als man einen Trunkenbolden
Nach Verdienst vom Throne stieß.

Fauler Wenzel! nimmer sehnen
Wir uns heut nach dir zurück!
Auch am Königsstuhl zu lehnen,
Deucht uns kein besonder Glück!

Unterdessen, da bei Rhense
Er zu schaun ist wiederum,
Nehmen willig, trotz der Gänse,
Wir ihn als Augurium;

Als ein Zeichen, uns zum Frommen
Aufgericht’t am Rheinesstrand:
Daß du wirst zu Stuhle kommen
Sonsten auch, o deutsches Land!
St. Goar, Oktober 1843.


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