Gedichte Mirage

Mein Auge mustert unruhvoll des Hafens wimpelreich Revier,
Doch deines richtet lächelnd sich auf meines Hutes Federzier:
„Von deinen Wüsten hör‘ ich gern in einer meerumrauschten Jacht;
Ein Bild aus dem Gebiete drum, das diesen Schmuck hervorgebracht!“

Wohlan! ich lege meine Stirn ins Hohle meiner rechten Hand!
Die Wimper fällt, die Schläfe fliegt – sieh da, der Öde glühnder Sand!
Die Lagerplätze grüßen dich des Volks, dem ich entsprossen bin;
In ihrer brand’gen Witwentracht tritt die Sahara vor dich hin.

Wer trabte durch das Löwenland? Von Klaun und Hufen zeugt der Kies.
Timbuktus Karawanenzug! – am Horizonte blitzt der Spieß!
Die Banner wehn, im Staube schwimmt des Emirs purpurn Ehrenkleid,
Und des Kameles Haupt entragt dem Knäul mit ernster Stattlichkeit.

Sie reiten im gedrängten Troß, wo sich vermengen Sand und Luft;
Sieh da, verschlungen hat sie schon der Ferne schwefelfarbner Duft!
Allein verfolgen ohne Müh‘ kannst du der Flücht’gen breite Spur:
Was sie verloren, Mal an Mal durchschimmert es die Körnerflur.

Das erste – wie zum Meilenstein daliegt’s: ein totes Dromedar!
Auf dem gestürzten, federlos die Hälse, sitzt ein Geierpaar;
Sie ziehn das lang entbehrte Mahl dem prächt’gen Turban drüben vor,
Den in des Rittes wilder Hast ein junger Araber verlor.

Und nun: Schabrackenstoff umfliegt der Tamariske dorn’gen Strauch;
Daneben, staubig und geleert, ein jäh geborstner Wasserschlauch; –
Wer ist es, der den klaffenden wahnsinn’gen Blicks mit Füßen tritt?
Es ist der dunkelhaar’ge Scheik des Landes Biledulgerid.

Die Nachhut schließend, fiel sein Roß; er blieb zurück, er ward versprengt.
Verlechzend hat sein Lieblingsweib an seinen Gürtel sich gehängt.
Wie blitzte jüngst ihr Auge noch, als er sie vor sich hob aufs Pferd!
Nun schleift er durch die Wüste sie, wie man am Gurte schleift ein Schwert.

Der heiße Sand, den nächtens nur der zottige Schweif des Löwen schlägt,
Er wird vom flutenden Gelock der Regungslosen nun gefegt!
Er fängt sich in der Haare Schwall, er sengt der Lippe würz’gen Tau;
Mit seinen Kieseln rötet er die Knöchel der erschöpften Frau.

Und auch der Emir wankt; das Blut in seinen Pulsen quillt und kocht,
Sein Auge strotzt, und seiner Stirn blau schimmerndes Geäder pocht.
Mit einem letzten brennenden Kuß erweckt er die Fezzanerin,
Und plötzlich dann mit wildem Fluch ins Unwirtbare stürzt er hin.

Sie aber sieht sich wundernd um. – Ha, was ist das? – „Du schläfst, Gemahl?
Der Himmel, der von Erze schien – sieh da, er kleidet sich in Stahl!
Wo blieb der Wüste lodernd Gelb? – Wohin ich schaue, blendend Licht!
Es ist ein Schimmern, wie des Meers, das sich an Algiers Küste bricht!

Es blitzt und brandet wie ein Strom; es leckt herüber feucht und kühl!
Ein ries’ger Spiegel funkelt es; – wach‘ auf, es ist vielleicht der Nil!
Doch nein, wir zogen südwärts ja; – so ist es wohl der Senegal?
Wie, oder wär‘ es gar das Meer mit seiner Wasser sprühndem Schwall?

Gleichviel! ’s ist Wasser ja! Wach‘ auf! Am Boden schon liegt mein Gewand.
Wach‘ auf, o Herr, und laß uns ziehn und löschen unsrer Leiber Brand!
Ein frischer Trunk, ein stärkend Bad, und uns durchsiedet neue Kraft!
Die Feste drüben, hochgetürmt, beschließe bald die Wanderschaft!

Um ihre grauen Tore fliegt scharlachner Fahnen trotzig Wehn;
Von Lanzen starrt ihr schart’ger Rand, und ihre Mitte von Moskeen;
Auf ihrer Reede tummelt sich hochmast’ger Schiffe stolze Reih‘,
Und jene Pilger füllen ihr Basar und Karawanserei.

Geliebter, meine Zunge lechzt! Wach‘ auf, schon naht die Dämmerung!“ –
Noch einmal hob er seinen Blick; dann sagt‘ er dumpf: „Die Spiegelung!
Ein Blendwerk, ärger als der Smum! Bösart’ger Geister Zeitvertreib“ –
Er schwieg – das Meteor verschwand – auf seine Leiche sank das Weib.

Im Hafen von Venedig so von seiner Heimat sprach der Mohr;
Des Feldherrn Rede strömte süß in Desdemonens gierig Ohr.
Auffuhr sie, als das Fahrzeug nun ans Ufer stieß mit jähem Stoß –
Er führte schweigend zum Palast das einz’ge Kind Brabantios.


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