Gedichte Hero

Lange schlummern ruhig all die Meinen,
Stille atmet durch die Mitternacht;
Auf dann! Hero! auf und laß das Weinen!
Dank euch, Götter! Heros Mut erwacht.
Fort ans Meer! ans Meer! es schäume die Welle,
Brause der Sturm mir immer ins Angesicht!
Fort ans Meer! ohn ihn ist alles Hölle –
Liebe ängstet mich Arme – Sturm und Welle nicht.

Ruhig will ich da hinüberlauschen,
Wo sein Hüttchen über Felsen hängt,
Rufen will ichs in der Woge Rauschen,
Wie sein Zaudern seine Hero kränkt.
Ha! da wird er sich mutig von seinem Gestade
Stürzen, Posidaons Kraft ihm Liebe verleihn,
Lieb ihn leiten des Meeres furchtbare Pfade,
Götter! wie wird – wie wird uns wieder sein?
(sie kommt ans Meer)

Aber Himmel! – wie hoch die Wogen schäumen!
So hätt ich den Sturm mir nicht gedacht.
Weh! wie sie dräuend gegen mein Ufer sich bäumen!
Stärkt mich, Götter, in dieser ernsten Nacht! –
Nein! mir banget nicht um Tod und Leben –
Tod und Leben, wie das Schicksal will!
Liebe besieget die Schrecken, die um mich schweben,
Schlangengezisch, und Skorpionen, und Löwengebrüll.

Jüngling! sieben solcher Schreckennächte
Harr ich deiner, zager Jüngling, schon,
Wenn mein Jüngling meiner Angst gedächte,
O! er spräch Orkanen und Wogen Hohn.
Oder hätt er den furchtbaren Eid gebrochen,
Spottet er meiner im Arm der Buhlerin –
Ha! so bin ich so leicht, so schön gerochen,
Leicht und schön gerochen – ich sterbe hier um ihn.

Aber weg von mir! du Donnergedanke!
Weg, das flüsterte mir die Hölle zu,
Daß mein Jüngling, mein Leander, wanke,
Nein! Geliebter! bleibe, bleibe du!
Wann ich dich in diesen Wogen dächte,
Deinen Pfad so schröcklich ungewiß,
Nein! ich will einsam durchirren die Schreckennächte,
Dein zu harren, Geliebter, ist ja schon so süß.

Aber horch! – o Himmel! – diese Töne –
Wahrlich! es waren des Sturmes Töne nicht –
Bist dus? – oder spielt die Narrenszene
Täuschend mit mir ein grausames Traumgesicht?
Götter! da ruft es ja wieder Hero! herüber,
Flüstert ja wieder die Stimme der Liebe mir her –
Auf! zu ihm, zu ihm in die Wogen hinüber,
Wenn er ermattete – auf! dem Geliebten entgegen ins Meer.

Sieh! wie im Tanze, stürz ich zu dir vom Gestade,
Liebe soll mir Posidaons Kraft verleihn,
Liebe mich leiten des Meeres furchtbare Pfade –
Götter! Götter! wie wird uns wieder sein!
Kämpfend über den Wogen will ich ihn drücken,
Drücken an Brust und Lippe mit Todesgefahr,
Ha! und sink ich, so träumet mein Entzücken
Noch im Abgrund fort, wie schön die Stunde war

Aber Götter! was seh ich? meinem Gestade
Schon so nahe? – Gesiegt! mein Held hat gesiegt!
Siehe! er schwebet verachtend die furchtbare Pfade
Mutig einher, vom Meere gefällig gewiegt.
(freudig) Ha! er soll mich suchen – da will ich lauschen
Hinter diesem Felsen – (leise) Götter! wie schön!
Wie die weiße Arme durch die Welle rauschen,
Ach! so sehnend, so strebend nach Heros Ufer hin.

Aber Grauen des Orkus! Sterbegewimmer!
Grauen des Orkus! dort dem Felsen zu!
Wie? – so kenn ich diese Todentrümmer!
Wehe! wehe, also siegtest du? –
Aber weg! ihr höllische Schreckengesichte!
Täuschende Furien! weg! er ist es nicht!
So zerschmettern nicht der Götter Gerichte –
(sie hält ihre Leuchte über den Toten hin)
Aber dieses Lächeln auf dem Todengesicht –

Kennst dus? Hero! kennst dus? – Nimmer, nimmer
Spricht das tode Lächeln Liebe dir – (sie weint heftig)
Engelsauge! so ist erloschen dein Schimmer –
Blicktest einst so heiße Liebe mir.
Jüngling! erwecken dich nicht der Geliebten Tränen?
Nicht die blutige Umarmungen?
Jüngling! Jüngling! diese Todesmienen –
Wehe! sie töden mich! wehe! diese Zuckungen.

Und er dacht in seiner Todesstunde,
In der Kämpfe furchtbarstem noch dein –
Hero! stammelt‘ er noch mit sterbendem Munde –
Und so schröcklich muß sein Ende sein?
Ha! und diese Liebe überleben –
Ohne diesen Toden in der Welt –
Weg! vor dem wird Hero nicht erbeben,
Der zu diesem Toden die Einsame gesellt.

Wenig kurze schröckende Sekunden –
Und du sinkst an deines Jünglings Brust,
Und du hast ihn auf ewig wiedergefunden,
Ewig umlächelt von hoher Elysiumslust – –
(Pause )
Ha! ich habe gesiegt! an des Orkus Pforte
Anzuklopfen – nein! ich bin nicht zu schwach!
Hero! Hero! rief er, Götterworte!
Stärkt mich! stärkt durchs Dunkle mich! ich folge nach.


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Gedichte Hero - Hölderlin