Gedichte Religion

O Erd‘, voll Licht und Finsternissen,
Der Geister schönstes Mutterland!
Vom Jenseits mag ich nichts mehr wissen,
Seit ich das Diesseits erst erkannt.

Dein bin ich, dein, die du mit Kosen
Um jedes deiner Kinder wachst
Seitdem ich weiss, dass du zu Rosen
Selbst das Gebein der Toten machst!
Alfred Meissner

Ihr Priester, die ihr einst vor Zeiten
Mit Blut geeifert wider Baal
Und heut in andern Erdgebreiten
Den Kampf erstickt ums Ideal:
Kehrt um und wählt ein ander Zeichen,
Das Feld des Zweifels steht behalmt;
Das Rad der Zeit dreht seine Speichen,
Und wer hineingreift, wird zermalmt!

Wohl wärmt ihr eure alten Wunder
Uns immer noch von Neuem auf,
Doch ward ihr Flitter längst zum Plunder
Und niemand nimmt ihn mehr in Kauf.
Gesprengt hat seine dumpfen Bande
Der freie Geist und jauchzte: Licht!
Und trägt nun jubelnd durch die Lande,
Der Schöpfung grofses Weltgedicht.

Verlästert viel und viel bewundert,
Strebt höher er von Jahr zu Jahr;
Er ahnt das kommende Jahrhundert,
Und jedes Herz wird sein Altar.
Denn nicht im Staub der Pergamente
Verlor sich seines Suchens Spur:
Er fragte kühn die Elemente
Und Antwort gab ihm die Natur.

Die Sterne, die seit Uräonen
Ihr räthselhaftes Feuer sprühn,
Die Thierwelt neuerschlossner Zonen,
Ja, selbst die Blumen, die verblühn:
Nicht stumm mehr wie vor tausend Jahren
Schaut ihm ihr Sphinxbild ins Gesicht,
Sie alle, alle offenbaren
Das grosse Weltwort: Licht, mehr Licht!

Das Blättchen der versteinten Pflanze
Singt vom verlornen Paradies,
Und nur für ihn grub Schwert und Lanze
Die Vorzeit in den Uferkies.
Es wob der Traum vom ewigen Frieden
Ums Haupt ihm seinen Glorienschein,
Und bis ins Herz der Pyramiden
Drang forschend seine Fackel ein.

Das Wissen, nicht der Glaube frommt ihm,
Ihm schien die Sonne bis ins Mark!
Ihr aber näselt nur und kommt ihm
Mit euerm abgestandnen Quark!
Umsonst mit euern Anathemen
Habt ihr zu bannen ihn versucht –
Was soll der Welt denn auch ein Schemen
Von einer Liebe, die nur flucht? …

Da liegt sie nun zerbrochnen Stempels
Die Münze, die ihr falsch geprägt!
Schon ist zum Bau des neuen Tempels
Das grosse Fundament gelegt!
Schon grüsst den kommenden Messias
Das junge, werdende Geschlecht
Und seine goldne Zukunftstrias
Jauchzt: Wahrheit, Freiheit nur und Recht!

Und steigt der grosse Ueberwinder
Erst wieder erdwärts, nackt und blos,
Dann wieder birgst du deine Kinder,
Natur, in deinem Mutterschooss!
Der Menschheit zukunftstrunkne Seher
Sind dann die Jünger, die er wirbt,
Bis mit dem letzten Kantschudreher
Einst auch der letzte Hundsfott stirbt!

Dann wird kein Thron mehr goldig gleissen,
Vom Pfaffenhimmel überdacht,
Denn jene Welt, die uns verheissen
Ist lächelnd dann ins Licht erwacht.
Dann hört die Hoffnung auf zu bluten,
Die Liebe weint vor lauter Lust
Und jauchzend sinken alle Guten
Sich Bruderbrust an Bruderbrust!

Drum ihr dort, die ihr einst vor Zeiten
Mit Blut geeifert wider Baal
Und heut in andern Erdgebreiten
Den Kampf erstickt ums Ideal:
Kehrt um und wählt ein ander Zeichen,
Das Feld des Zweifels steht behalmt;
Das Rad der Zeit dreht seine Speichen,
Und wer hineingreift, wird zermalmt!

Tagebuchblätter

In dem Traum siehst du die stillen,
Fabelhaften Blumen prangen;
Und mit Sehnsucht und
Verlangen Ihre Düfte dich erfüllen.

Doch von diesen Blumen scheidet
Dich ein Abgrund tief und schaurig,
Und dein Herz wird endlich traurig,
Und es blutet und es leidet.
Heine


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