Gedichte Phaëthon

Phaëthon,
Der Mundschenk der Götter,
Mischte den Göttern
Schlaf in den Wein.
Sie tranken,
Sie sanken
In Traum und in Schlaf.

An seinen Sonnenwagen gelehnt
Schlief Helios.
Die Zügel schleiften
Auf Wolken.

Da trat der Knabe Phaëthon herzu,
Sprang auf das Brett,
Ergriff die Geissel
Und liess sie über die Rosse sausen,
Die goldenen.

Sie wieherten jauchzend
Unter der jungen Hand
Und jagten durch den Äther,
Verliessen die alteingefahrne Bahn.
Die goldenen Locken des Knaben,
Die goldenen Mähnen der Rosse
Stoben im Sternensturm.

Als er am Abend lenkte
Das goldne Gefährt
In den himmlischen Stall,
Da waren die Götter erwacht.

Helios jammerte,
Zeus grollte.

Schneeweiss war des Göttervaters Haar geworden,
Schnee lag auf dem Götterberg.
Denn allzuweit hatte der Knabe sich von ihm entfernt
Mit dem Sonnenwagen.

Zu nah war er der Erde gekommen,
Denn tausend Steppen standen in Flammen
Und Wälder bluteten rot.

Das grosse Feuer kam
Wie einst das grosse Wasser war gekommen.
Die Lava rollte schwarz.
Die heilige Zeder
Brannte.

Aus den verkohlten Wurzeln stiegen
Gewürm und Engerling ans Licht.

Und Kypris, die die Nacht wie stets
Auf Erden zugebracht,
Riss ihren Knaben
Eros
Hinter sich auf das geflügelte Pferd.
Das galoppierte über den wandernden Insekten
Auf den Leibern der Dämonen
Und hob sich wie ein Adler dann
Und galoppierte auf den Wolken –
Und kam zum Götterberg.

Eiszapfen hingen von dem Ritt durch die Äonen
Dem Pferde in den Mähnen.
Kypris mondblondes Haar war weiss beschneit,
Und Eros
Schlug die erstarrten Finger aneinander
Wie Glockenklöppel.

Ich friere, sagte Helios.
Was tatest du,
Vorwitziger Knabe,
Phaëthon?
Die Götter frieren,
Und der Menschen viele sind verbrannt
Wie Kälber am Spiess.

Zeus weint zum erstenmal seit Ewigkeiten,
Und Kypris floh die Erde.

Der Knabe aber
Schnalzte mit der Zunge
Und zog die Stirne kraus –
Und lächelte
Und schwieg.


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