Gedichte Menalk

Menalk floh kummervoll den Reiz der schönsten Flur,
Kein Schatten und kein Bach, sein Harm gefiel ihm nur.
Die Heerde gieng zerstreut; er nährt‘ in einer Höhle
Vom frühen Morgen an, die Schmerzen seiner Seele.
Unglücklicher Menalk! gedacht er da bey sich,
Warum bist du gezeugt? Die Schickung hasset dich,
Durch sie ward Doris jüngst von dieser Flur gezogen.
O wär den Augenblick dein Geist ihr nachgeflogen,
Und dieser Leib verwest! Zwar bey Amyntens Tod
Fühlt ich die Freude nicht, die mir der Frühling both;
Doch endlich hat die Zeit den Kummer überwunden,
Er ist, dacht ich, zuerst der Nichtigkeit entbunden,
Und schaut dir jezt vielleicht von oben glänzend zu,
Schaut Sternen unter sich, ist glücklicher als du,
Nur jezt wird keine Zeit dein ewig Leid vermindern,
Sie lebt und lebt entfernt! Komm Tod! du kannst es lindern,
Komm, jezt ist Welt und Glück und Leben mir verhaßt.
Ihr Felsen stürzt herab, begrabt mich in der Last,
Die meiner Scheitel droht – – – O muß ich euch ihr Auen,
Die ihr uns oft verbargt, noch ferner grünen schauen!
Ihr martert meinen Geist, reizt ihr gleich das Gesicht,
Ihr zeigt mir Doris Bild, und zeigt mir Doris nicht.
Nur zum entfernten Belt – – Doch wer kann dir entrinnen,
O Liebe, welch ein Wahn betäubt die müden Sinnen!
Und trieb auch Angst und Quaal zum Nordpol meinen Schritt!
So flöh doch Doris Bild, gleich meinem Schatten mit.
Ja dort – – dort seh ich sie, dort hat sie oft gesprungen,
Und oft in buntem Klee den Arm um mich geschlungen.
Dort, däucht mich, hör ich noch am Teich den Zauberklang,
Als sie und Galathee Dianens Glut besang.
Ich war Endymion, nach dem sie heimlich blickte,
Dem sie bey manchem Ort die Hand verstohlen drückte.
Dort ruht ich einst allein im Rosenthal am Bach,
Ich schloß die Augen zu, dacht ihrem Liebreitz nach,
Die Lose wußte sich am Ufer hinter Sträuchen,
Ohn daß ich sie vernahm, behutsam anzuschleichen,
Und stund ihr Dämon gleich, der um sie buhlte, nah,
So küßte sie mich doch, als er nur seitwärts sah,
Schnell sprang sie um den Strauch, die Blätter hört ich rauschen;
Und merkte, wer es that, und ließ mich gern belauschen.
Doch wer belauscht mich jezt? Wo seyd ihr Zeiten hin?
O daß ich mit der Lust nicht auch vergangen bin!
Jezt wird der Südwind mich nicht mehr aus regen Büschen,
Davon der Schatten wankt, in ihrem Arm erfrischen!
Jezt werd ich nicht wie sonst, die rauchen Faunen gehn,
Und Ziegen über uns am Felsen klettern sehn.
Mein vorbeglücktes Vieh! Jezt kann ich dich nicht weiden,
Die Kluft, des Grabes Bild, vermehr hinfort mein Leiden!

So quälte sich Menalk, bis Philomele sang,
Und bis der Wachtel Schlag im Felsen wiederklang,
Da stand er auf und sah, daß sich der Schatten streckte,
Und daß der Abend schon die Flur mit Purpur deckte.


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Gedichte Menalk - Kleist