Gedichte Mein Vaterland

So schweigt der Jüngling lang,
Dem wenige Lenze verwelkten,
Und der dem silberhaarigen tatenumgebenen Greise,
Wie sehr er ihn liebe! das Flammenwort hinströmen will.

Ungestüm fährt er auf um Mitternacht,
Glühend ist seine Seele!
Die Flügel der Morgenröte wehen, er eilt
Zu dem Greis, und saget es nicht.

So schwieg auch ich. Mit ihrem eisernen Arm
Winkte mir stets die strenge Bescheidenheit!
Die Flügel wehten, die Laute schimmerte,
Und begann von selber zu tönen, allein mir bebte die Hand.

Ich halt es länger nicht aus! Ich muß die Laute nehmen,
Fliegen den kühnen Flug!
Reden, kann es nicht mehr verschweigen,
Was in der Seele mir glüht.

O schone mein! dir ist dein Haupt umkränzt
Mit tausendjährigem Ruhm! du hebst den Tritt der Unsterblichen
Und gehest hoch vor vielen Landen her!
O schone mein! Ich liebe dich, mein Vaterland!

Ach sie sinkt mir, ich hab es gewagt!
Es bebt mir die Hand die Saiten herunter;
Schone, schone! Wie wehet dein heiliger Kranz,
Wie gehst du den Gang der Unsterblichen daher.

Ich seh ein sanftes Lächeln,
Das schnell das Herz mir entlastet;
Ich sing es mit dankendem Freuderuf dem Widerhall,
Daß dieses Lächeln mir ward!

Früh hab ich dir mich geweiht! Schon da mein Herz
Den ersten Schlag der Ehrbegierde schlug,
Erkor ich, unter den Lanzen und Harnischen
Heinrich, deinen Befreier, zu singen.

Allein ich sah die höhere Bahn,
Und entflammt von mehr, denn nur Ehrbegier,
Zog ich weit sie vor. Sie führet hinauf
Zu dem Vaterlande des Menschengeschlechts!

Noch geh ich sie, und wenn ich auf ihr
Des Sterblichen Bürden erliege;
So wend ich mich seitwärts, und nehme des Barden Telyn,
Und sing, o Vaterland, dich dir!

Du pflanzetest dem, der denket, und ihm, der handelt!
Weit schattet, und kühl dein Hain,
Steht, und spottet des Sturmes der Zeit,
Spottet der Büsch um sich her!

Wen scharfer Blick, und die tanzende glückliche Stunde führt,
Der bricht in deinem Schatten, kein Märchen sie,
Die Zauberrute, die, nach dem helleren Golde,
Dem neuen Gedanken, zuckt.

Oft nahm deiner jungen Bäume das Reich an der Rhône,
Oft das Land an der Thems‘ in die dünneren Wälder.
Warum sollten sie nicht? Es schießen ja bald
Andere Stämme dir auf!

Und dann so gehörten sie ja dir an. Du sandtest
Deiner Krieger hin. Da klangen die Waffen! da ertönte
Schnell ihr Ausspruch: Die Gallier heißen Franken!
Engelländer die Briten!

Lauter noch ließest du die Waffen klingen. Die hohe Rom
Ward zum kriegerischen Stolz schon von der Wölfin gesäugt;
Lange war sie Welttyrannin! Du stürzetest,
Mein Vaterland, die hohe Rom in ihr Blut!

Nie war, gegen das Ausland,
Ein anderes Land gerecht, wie du!
Sei nicht allzugerecht. Sie denken nicht edel genung,
Zu sehen, wie schön dein Fehler ist!

Einfältiger Sitte bist du, und weise,
Bist ernstes tieferes Geistes. Kraft ist dein Wort,
Entscheidung dein Schwert. Doch wandelst du gern es in die Sichel, und triefst,
Wohl dir! von dem Blute nicht der anderen Welten!

Mir winket ihr eiserner Arm! Ich schweige,
Bis etwa sie wieder schlummert;
Und sinne dem edlen schreckenden Gedanken nach,
Deiner wert zu sein, mein Vaterland.


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