Gedichte Zum zehnten Dezember

„Sie ist mündig!“ Sagt mir, Leute,
Wie versteh ich dieses Wort?
Ach ein Kind war sie bis heute,
Bleibt sie das nicht immerfort?

Hingen denn vor einem Jahre
Um dies Morgenangesicht
Kindlicher die blonden Haare
Und in goldenerem Licht?

Zögen heut zu diesem Herzen,
Fromm geartet, hold und rein,
Andre Freuden, andre Schmerzen,
Ganz ein neues Wesen ein?

Und zu glänzen allerorten,
Würde sie der großen Welt,
An Gebärde, Sitt und Worten
Ihren Schwestern gleichgestellt?

Nein! ein Engel dieser Erden
Ohne Wandel bleibet sie.
Eine Fürstin kann sie werden,
Eine Dame wird sie nie!


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Gedichte Zum zehnten Dezember - Mörike