Gedichte Der junge König und die Schäferin

1.

In dieser Maienwonne,
Hier auf dem grünen Plan,
Hier unter der goldnen Sonne,
Was heb ich zu singen an?

Wohl blaue Wellen gleiten,
Wohl goldne Wolken ziehn,
Wohl schmucke Ritter reiten
Das Wiesental dahin.

Wohl lichte Bäume wehen,
Wohl klare Blumen blühn,
Wohl Schäferinnen stehen
Umher in Tales Grün.

Herr Goldmar ritt mit Freuden
Vor seinem stolzen Zug,
Einen roten Mantel seiden,
Eine goldne Kron er trug.

Da sprang vom Roß geschwinde
Der König wohlgetan,
Er band es an eine Linde,
Ließ ziehn die Schar voran.

Es war ein frischer Bronne
Dort in den Büschen kühl;
Da sangen die Vögel mit Wonne,
Der Blümlein glänzten viel.

Warum sie sangen so helle?
Warum sie glänzten so baß?
Weil an dem kühlen Quelle
Die schönste Schäferin saß.

Herr Goldmar geht durch Hecken,
Er rauschet durch das Grün;
Die Lämmer drob erschrecken,
Zur Schäferin sie fliehn.

„Willkommen, gottwillkommen,
Du wunderschöne Maid!
Wärst du zu Schrecken gekommen,
Mir wär es herzlich leid.“

„Bin wahrlich nicht erblichen,
Als ich dir schwören mag;
Ich meint, es hab durchstrichen
Ein loser Vogel den Hag.“

„Ach! wolltest du mich erquicken
Aus deiner Flasche hier,
Ich würd es ins Herz mir drücken
Als die größte Huld von dir.“

„Meine Flasche magst du haben,
Noch keinem macht ich’s schwer,
Will jeden daraus laben,
Und wenn es ein König wär.“

Zu schöpfen sie sich bücket,
Aus der Flasch ihn trinken läßt;
Gar zärtlich er sie anblicket,
Doch hält sie die Flasche fest.

Er spricht, von Lieb bezwungen:
„Wie bist du so holder Art!
Als wärest du erst entsprungen
Mit den andern Blumen zart.

Und bist doch mit Würd umfangen
Und strahlest doch Adel aus,
Als wärest hervorgegangen
Aus eines Königs Haus.“

„Frag meinen Vater, den Schäfer:
Ob er ein König was?
Frag meine Mutter, die Schäfrin:
Ob sie auf dem Throne saß?“

Seinen Mantel legt er der Holden
Um ihren Nacken klar,
Er setzet die Krone golden
In ihr nußbraunes Haar.

Gar stolz die Schäferin blicket,
Sie ruft mit hohem Schall:
„Ihr Blumen und Bäume, bücket,
Ihr Lämmer, neigt euch all!“

Und als den Schmuck sie wieder
Ihm beut mit lachendem Mund,
Da wirft er die Krone nieder
In des Bronnen klaren Grund.

„Die Kron ich dir vertraue,
Ein herzlich Liebespfand,
Bis ich dich wiederschaue
Nach manchem harten Stand.

Ein König liegt gebunden
Schon sechzehn lange Jahr,
Sein Land ist überwunden
Von böser Feinde Schar.

Ich will sein Land erretten
Mit meinen Rittern traut,
Ich will ihm brechen die Ketten,
Daß er den Frühling schaut.

Ich ziehe zum ersten Kriege,
Mir werden die Tage schwül.
Sprich! labst du mich nach dem Siege
Hier aus dem Bronnen kühl?“

„Ich will dir schöpfen und langen
So viel der Bronn vermag.
Auch sollst du die Kron empfangen
So blank wie an diesem Tag.“

Der erste Sang ist gesungen,
So folget gleich der letzt,
Ein Vogel hat sich geschwungen,
Laßt sehen, wo er sich setzt!

2.

Nun soll ich sagen und singen
Von Trommeten – und Schwerterklang,
Und hör doch Schalmeien klingen,
Und höre der Lerchen Gesang.

Nun soll ich singen und sagen
Von Leichen und von Tod,
Und seh doch die Bäum ausschlagen
Und sprießen die Blümlein rot.

Nur von Goldmar will ich melden,
Ihr hättet es nicht gedacht:
Er war der erste der Helden,
Wie bei Frauen, so in der Schlacht.

Er gewann die Burg im Sturme,
Steckt‘ auf sein Siegspanier;
Da stieg aus tiefem Turme
Der alte König herfür.

„O Sonn! o ihr Berge drüben!
O Feld und o grüner Wald!
Wie seid ihr so jung geblieben,
Und ich bin worden so alt!“

Mit reichem Glanz und Schalle
Das Siegesfest begann;
Doch wer nicht saß in der Halle,
Das nicht beschreiben kann.

Und wär ich auch gesessen
Dort in der Gäste Reihn,
Doch hätt ich das andre vergessen
Ob all dem edeln Wein.

Da tät zu Goldmar sprechen
Der königliche Greis:
„Ich geb ein Lanzenbrechen,
Was setz ich euch zum Preis?“

„Herr König hochgeboren,
So setzet uns zum Preis
Statt goldner Helm und Sporen
Einen Stab und ein Lämmlein weiß!“

Um was sonst Schäfer laufen
In die Wett im Blumengefild,
Drum sah man die Ritterhaufen
Sich tummeln mit Lanz und Schild.

Da warf die Ritter alle
Herr Goldmar in den Kreis;
Er empfing bei Trommetenschalle
Einen Stab und ein Lämmlein weiß.

Und wieder begann zu sprechen
Der königliche Greis:
„Ich geb ein neues Stechen
Und setz einen höhern Preis.

Wohl setz ich euch zum Lohne
Nicht eitel Spiel und Tand,
Ich setz euch meine Krone
Aus der schönsten Königin Hand.“

Wie glühten da die Gäste
Beim hohen Trommetenschall!
Wollt jeder tun das Beste,
Herr Goldmar warf sie all.

Der König stand im Gaden
Mit Frauen und mit Herrn,
Er ließ Herrn Goldmar laden,
Der Ritter Blum und Stern.

Da kam der Held im Streite,
Den Schäferstab in der Hand,
Das Lämmlein weiß zur Seite
An rosenfarbem Band.

Der König sprach: „Ich lohne
Dir nicht mit Spiel und Tand,
Ich gebe dir meine Krone
Aus der schönsten Königin Hand.“

Er sprach’s und schlug zurücke
Den Schleier der Königin.
Herr Goldmar mit keinem Blicke
Wollt sehen nach ihr hin.

„Keine Königin soll mich gewinnen
Und keiner Krone Strahl,
Ich trachte mit allen Sinnen
Nach der Schäferin im Tal.

Ich will zum Gruß ihr bieten
Das Lämmlein und den Stab.
So mög euch Gott behüten!
Ich zieh ins Tal hinab.“

Da rief eine Stimm so helle,
Und ihm ward mit einemmal,
Als sängen die Vögel am Quelle,
Als glänzten die Blumen im Tal.

Die Augen tät er heben,
Die Schäferin vor ihm stand,
Mit reichem Geschmeid umgeben,
Die blanke Kron in der Hand.

„Willkommen, du viel Schlimmer,
In meines Vaters Haus!
Sprich! willst du ziehn noch immer
Ins grüne Tal hinaus?

So nimm doch zuvor die Krone,
Die du mir ließest zum Pfand!
Mit Wucher ich dir lohne,
Sie herrscht nun über zwei Land.“

Nicht länger blieben sie stehen
Das eine vom andern fern.
Was weiter nun geschehen,
Das wüßtet ihr wohl gern?

Und wollt es ein Mädchen wissen,
Dem tät ich’s plötzlich kund,
Dürft ich sie umfahn und küssen
Auf den rosenroten Mund.


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