Welch ein Getümmel füllt Thaliens Haus?
Welch ein geschäftig Volk eilt ein und aus?
Von hohlen Brettern tönt des Hammers Schlag,
Der Sonntag feiert nicht, die Nacht wird Tag.
Was die Erfindung still und zart ersann,
Beschäftigt laut den rohen Zimmermann.
Ich sehe Hauenschild gedankenvoll;
Ist’s Türk, ist’s Heide, den er kleiden soll?
Und Schumann froh, als wär er schon bezahlt,
Weil er einmal mit ganzen Farben malt.
Ich sehe Thielens leichtbewegten Schritt,
Der lust’ger wird, je mehr er euch verschnitt.
Der Jude Elkan läuft mit manchem Rest,
Und diese Gärung deutet auf ein Fest.
Allein, wie viele hab ich hererzählt,
Und nenn ihn nicht, den Mann, der nie gefehlt,
Der sinnreich schnell, mit schmerzbeladner Brust,
Den Lattenbau zu fügen wohl gewußt,
Das Brettgerüst, das, nicht von ihm belebt,
Wie ein Skelett an toten Drähten schwebt.
Wo ist er? sagt! – Ihm war die Kunst so lieb,
Daß Kolik nicht, nicht Husten ihn vertrieb.
„Er liegt so krank, so schlimm es nie noch war!“
Ach, Freunde! Weh! Ich fühle die Gefahr;
Hält Krankheit ihn zurück, so ist es Not,
Er ist nicht krank, nein, Kinder, er ist tot!
„Wie? Mieding tot?“ erschallt bis unters Dach
Das hohle Haus, vom Echo kehrt ein Ach!
Die Arbeit stockt, die Hand wird jedem schwer,
Der Leim wird kalt, die Farbe fließt nicht mehr;
Ein jeder steht betäubt an seinem Ort,
Und nur der Mittwoch treibt die Arbeit fort.
Ja, Mieding tot! O scharret sein Gebein
Nicht undankbar wie manchen andern ein!
Laßt seinen Sarg eröffnet, tretet her,
Klagt jedem Bürger, der gelebt wie er,
Und laßt am Rand des Grabes, wo wir stehn,
Die Schmerzen in Betrachtung übergehn.
O Weimar! dir fiel ein besonder Los:
Wie Bethlehem in Juda, klein und groß!
Bald wegen Geist und Witz beruft dich weit
Europens Mund, bald wegen Albernheit.
Der stille Weise schaut und sieht geschwind,
Wie zwei Extreme nah verschwistert sind.
Eröffne du, die du besondre Lust
Am Guten hast, der Rührung deine Brust!
Und du, o Muse, rufe weit und laut
Den Namen aus, der heut uns still erbaut!
Wie manchen, wert und unwert, hielt mit Glück
Die sanfte Hand von ew’ger Nacht zurück;
O laß auch Miedings Namen nicht vergehn!
Laß ihn stets neu am Horizonte stehn!
Nenn ihn der Welt, die kriegrisch oder fein
Dem Schicksal dient und glaubt, ihr Herr zu sein,
Dem Rad der Zeit vergebens widersteht,
Verwirrt, beschäftigt und betäubt sich dreht;
Wo jeder, mit sich selbst genug geplagt,
So selten nach dem nächsten Nachbar fragt,
Doch gern im Geist nach fernen Zonen eilt
Und Glück und Übel mit dem Fremden teilt.
Verkünde laut und sag es Überall:
Wo einer fiel, seh jeder seinen Fall!
Du, Staatsmann, tritt herbei! Hier liegt der Mann,
Der, so wie du, ein schwer Geschäft begann;
Mit Lust zum Werke mehr als zum Gewinn
Schob er ein leicht Gerüst mit leichtem Sinn,
Den Wunderbau, der äußerlich entzückt,
Indes der Zaubrer sich im Winkel drückt.
Er war’s, der säumend manchen Tag verlor,
Sosehr ihn Autor und Akteur beschwor,
Und dann zuletzt, wenn es zum Treffen ging,
Des Stückes Glück an schwache Fäden hing.
Wie oft trat nicht die Herrschaft schon herein!
Es ward gepocht, die Symphonie fiel ein,
Daß er noch kletterte, die Stangen trug,
Die Seile zog und manchen Nagel schlug.
Oft glückt’s ihm; kühn betrog er die Gefahr,
Doch auch ein Bock macht‘ ihm kein graues Haar.
Wer preist genug des Mannes kluge Hand,
Wenn er aus Draht elast’sche Federn wand,
Vielfält’ge Pappen auf die Lättchen schlug,
Die Rolle fügte, die den Wagen trug,
Von Zindel, Blech, gefärbt Papier und Glas,
Dem Ausgang lächelnd, rings umgeben saß;
So, treu dem unermüdlichen Beruf,
War er’s, der Held und Schäfer leicht erschuf.
Was alles zarte, schöne Seelen rührt,
Ward treu von ihm nachahmend ausgeführt:
Des Rasens Grün, des Wassers Silberfall,
Der Vögel Sang, des Donners lauter Knall,
Der Laube Schatten und des Mondes Licht-
Ja selbst ein Ungeheur erschreckt‘ ihn nicht.
Wie die Natur manch widerwärt’ge Kraft
Verbindend zwingt und streitend Körper schafft:
So zwang er jedes Handwerk, jeden Fleiß;
Des Dichters Welt entstand auf sein Geheiß;
Und so verdient, gewährt die Muse nur
Den Namen ihm: Direktor der Natur.
Wer faßt nach ihm voll Kühnheit und Verstand
Die vielen Zügel mit der einen Hand?
Hier, wo sich jeder seines Weges treibt,
Wo ein Faktotum unentbehrlich bleibt,
Wo selbst der Dichter, heimlich voll Verdruß,
Im Fall der Not die Lichter putzen muß.
O sorget nicht! Gar viele regt sein Tod!
Sein Witz ist nicht zu erben, doch sein Brot;
Und ungleich ihm denkt mancher Ehrenmann:
Verdien ich’s nicht, wenn ich’s nur essen kann.
Was stutzt ihr? Seht den schlecht verzierten Sarg,
Auch das Gefolg scheint euch gering und karg.
„Wie!“ ruft ihr, „wer so künstlich und so fein,
So wirksam war, muß reich gestorben sein!
Warum versagt man ihm den Trauerglanz,
Den äußern Anstand letzter Ehre ganz?“
Nicht so geschwind! Das Glück macht alles gleich,
Den Faulen und den Tät’gen – arm und reich.
Zum Gütersammeln war er nicht der Mann;
Der Tag verzehrte, was der Tag gewann.
Bedauert ihn, der, schaffend bis ans Grab,
Was künstlich war und nicht, was Vorteil gab,
In Hoffnung täglich weniger erwarb,
Vertröstet lebte und vertröstet starb.
Nun laßt die Glocken tönen, und zuletzt
Werd er mit lauter Trauer beigesetzt!
Wer ist’s, der ihm ein Lob zu Grabe bringt,
Eh noch die Erde rollt, das Chor verklingt?
Ihr Schwestern, die ihr, bald auf Thespis‘ Karrn,
Geschleppt von Eseln und umschrien von Narrn,
Vor Hunger kaum, vor Schande nie bewahrt,
Von Dorf zu Dorf, euch feilzubieten, fahrt,
Bald wieder, durch der Menschen Gunst beglückt,
In Herrlichkeit der Welt die Welt entzückt;
Die Mädchen eurer Art sind selten karg,
Kommt, gebt die schönsten Kränze diesem Sarg!
Vereinet hier teilnehmend euer Leid,
Zahlt, was ihr ihm, was ihr uns schuldig seid!
Als euern Tempel grause Glut verheert,
Wart ihr von uns drum weniger geehrt?
Wieviel Altäre stiegen vor euch auf!
Wie manches Rauchwerk brachte man euch drauf!
An wieviel Plätzen lag, vor euch gebückt,
Ein schwer befriedigt Publikum entzückt!
In engen Hütten und im reichen Saal,
Auf Höhen Ettersburgs, in Tiefurts Tal,
Im leichten Zelt, auf Teppichen der Pracht
Und unter dem Gewölb der hohen Nacht
Erschient ihr, die ihr vielgestaltet seid,
Im Reitrock bald und bald im Galakleid.
Auch das Gefolg, das um euch sich ergießt,
Dem der Geschmack die Türen ekel schließt,
Das leichte, tolle, scheckige Geschlecht,
Es kam zu Hauf, und immer kam es recht.
An weiße Wand bringt dort der Zauberstab
Ein Schattenvolk aus mytholog’schem Grab.
Im Possenspiel regt sich die alte Zeit,
Gutherzig, doch mit Ungezogenheit.
Was Gallier und Brite sich erdacht,
Ward wohlverdeutscht hier Deutschen vorgebracht,
Und oftmals liehen Wärme, Leben, Glanz
Dem armen Dialog – Gesang und Tanz.
Des Karnevals zerstreuter Flitterwelt
Ward sinnreich Spiel und Handlung zugesellt.
Dramatisch selbst erschienen hergesandt
Drei Könige aus fernem Morgenland,
Und sittsam bracht auf reinlichem Altar
Dianens Priesterin ihr Opfer dar.
Nun ehrt uns auch in dieser Trauerzeit!
Gebt uns ein Zeichen, denn ihr seid nicht weit!
Ihr Freunde, Platz! Weicht einen kleinen Schritt!
Seht, wer da kommt und festlich näher tritt!
Sie ist es selbst – die Gute fehlt uns nie-
Wir sind erhört, die Musen senden sie.
Ihr kennt sie wohl! sie ist’s, die stets gefällt:
Als eine Blume zeigt sie sich der Welt;
Zum Muster wuchs das schöne Bild empor,
Vollendet nun, sie ist’s und stellt es vor.
Es gönnten ihr die Musen jede Gunst,
Und die Natur erschuf in ihr die Kunst.
So häuft sie willig jeden Reiz auf sich,
Und selbst dein Name ziert, Corona, dich.
Sie tritt herbei. Seht sie gefällig stehn!
Nur absichtslos, doch wie mit Absicht schön.
Und hocherstaunt seht ihr in ihr vereint
Ein Ideal, das Künstlern nur erscheint.
Anständig führt die leis erhobne Hand
Den schönsten Kranz, umknüpft von Trauerband.
Der Rose frohes, volles Angesicht,
Das treue Veilchen, der Narzisse Licht,
Vielfält’ger Nelken, eitler Tulpen Pracht,
Von Mädchenhand geschickt hervorgebracht,
Durchschlungen von der Myrte sanfter Zier,
Vereint die Kunst zum Trauerschmucke hier,
Und durch den schwarzen, leichtgeknüpften Flor
Sticht eine Lorbeerspitze still hervor.
Es schweigt das Volk. Mit Augen voller Glanz
Wirft sie ins Grab den wohlverdienten Kranz.
Sie öffnet ihren Mund, und lieblich fließt
Der weiche Ton, der sich ums Herz ergießt.
Sie spricht: „Den Dank für das, was du getan,
Geduldet, nimm, du Abgeschiedner, an!
Der Gute wie der Böse müht sich viel,
Und beide bleiben weit von ihrem Ziel.
Dir gab ein Gott in holder, steter Kraft
Zu deiner Kunst die ew’ge Leidenschaft.
Sie war’s, die dich zur bösen Zeit erhielt,
Mit der du, krank, als wie ein Kind gespielt,
Die auf den blassen Mund ein Lächeln rief,
In deren Arm dein müdes Haupt entschlief
Ein jeder, dem Natur ein Gleiches gab,
Besuche pilgernd dein bescheiden Grab!
Fest steh dein Sarg in wohlgegönnter Ruh;
Mit lockrer Erde deckt ihn leise zu,
Und sanfter als des Lebens liege dann
Auf dir des Grabes Bürde, guter Mann!“