Gedichte Der fünfte Mai

Ode von Alexander Manzoni

Er war – und wie bewegungslos
Nach letztem Hauche-Seufzer
Die Hülle lag, uneingedenk,
Verwaist von solchem Geiste:
So tief getroffen, starr erstaunt
Die Erde steht der Botschaft.

Stumm, sinnend nach der letztesten
Stunde des Schreckensmannes,
Sie wüßte nicht, ob solcherlei
Fußstapfen Menschenfußes
Nochmals den blutgefärbten Staub
Zu stempeln sich erkühnten.

Ihn wetterstrahlend auf dem Thron
Erblickte die Muse schweigend,
Sodann im Wechsel immerfort
Ihn fallen, steigen, liegen;
Zu tausend Stimmen Klang und Ruf
Vermischte sie nicht die ihre.

Jungfräulich, keiner Schmeichelei
Noch frevler Schmähung schuldig,
Erhebt sie sich plötzlich aufgeregt,
Da solche Strahlen schwinden,
Die Urne kränzend mit Gesang,
Der wohl nicht sterben möchte.

Zu Pyramiden von Alpen her,
Vom Manzanar zum Rheine,
Des sichern Blitzes Wetterschlag
Aus leuchtenden Donnerwolken,
Er traf von Scylla zum Tanais,
Von einem zum andern Meere.

Mit wahrem Ruhm? – Die künft’ge Welt
Entscheide dies! Wir beugen uns,
Die Stirne tief, dem Mächtigsten,
Erschaffenden, der sich einmal
Von allgewalt’ger Geisteskraft
Grenzlose Spur beliebte.

Das stürmische, doch bebende
Erfreun an großen Planen,
Die Angst des Herzens, das ungezähmt,
Dienend nach dem Reiche gelüstet
Und es erlangt zum höchsten Lohn,
Den’s törig war zu hoffen.

Das ward ihm all: der Ehrenruhm,
Vergrößert nach Gefahren,
Sodann die Flucht, und wieder Sieg,
Kaiserpalast, Verbannung;
Zweimal zum Staub zurückgedrängt
Und zweimal auf dem Altar.

Er trat hervor: gespaltne Welt,
Bewaffnet gegeneinander,
Ergeben wandte sich zu ihm,
Als lauschten sie dem Schicksal;
Gebietend Schweigen, Schiedesmann,
Setzt‘ er sich mitteninne;

Verschwand! – Die Tage Müßiggangs,
Verschlossen im engen Raume,
Zeugen von grenzenlosem Neid
Und tiefem, frommem Gefühle,
Von unauslöschlichem Haß zugleich
Und unbezwungener Liebe.

Wie übers Haupt Schiffbrüchigem
Die Welle sich wälzt und lastet,
Die Welle, die den Armen erst
Emporhob, vorwärtsrollte,
Daß er entfernte Gegenden
Umsonst zuletzt erblickte,

So ward’s dem Geist, der wogenhaft
Hinaufstieg in der Erinnrung.
Ach! wie so oft den Künftigen
Wollt er sich selbst erzählen.
Und kraftlos auf das ewige Blatt
Sank die ermüdete Hand hin.

Oh! wie so oft beim schweigsamen
Sterben des Tags, des leeren,
Gesenkt den blitzenden Augenstrahl,
Die Arme übergefaltet,
Stand er, von Tagen, vergangnen,
Bestürmt‘ ihn die Erinnrung.

Da schaut‘ er die beweglichen
Zelten, durchwimmelte Täler,
Das Wetterleuchten der Waffen zu Fuß,
Die Welle reitender Männer,
Die aufgeregteste Herrscherschaft
Und das allerschnellste Gehorchen.

Ach, bei so schrecklichem Schmerzgefühl
Sank ihm der entatmete Busen,
Und er verzweifelte! – Nein, die Kraft
Der ewigen Hand von oben
In Lüfte, leichter atembar,
Liebherzig trug ihn hinüber.

Und leitete ihn auf blühende
Fußpfade, die hoffnungsreichen,
Zu ewigen Feldern, zum höchsten Lohn,
Der alle Begierden beschämet;
Er sieht, wie auf Schweigen und Finsternis,
Auf den Ruhm, den er durchdrungen.

Schönste, unsterblich wohltätige
Glaubenskraft, immer triumphend!
Sprich es aus! erfreue dich,
Daß stolzer-höheres Wesen
Sich dem berüchtigten Golgatha
Wohl niemals niedergebeugt hat.

Und also von müder Asche denn
Entferne jedes widrige Wort;
Der Gott, der niederdrückt und hebt,
Der Leiden fügt und Tröstung auch,
Auf der verlaßnen Lagerstatt
Ihm ja zur Seite sich fügte.


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