Gedichte Die Allgegenwart Gottes

Als du mit dem Tode gerungen,
Mit dem Tode!
Heftiger gebetet hattest!
Als dein Schweiß und dein Blut
Auf die Erde geronnen war;
In der ernsten Stunde
Tatest du jene große Wahrheit kund,
Die Wahrheit sein wird,
Solange die Hülle der ewigen Seele
Staub ist!
Du standest, und sprachst
Zu den Schlafenden:
Willig ist eure Seele;
Allein das Fleisch ist schwach!

Dieser Endlichkeit Los,
Diese Schwere der Erde,
Fühlt auch meine Seele,
Wenn sie zu Gott, zu Gott!
Zu dem Unendlichen!
Sich erheben will!

Anbetend, Vater, sink ich in Staub, und fleh!
Vernimm mein Flehn, die Stimme des Endlichen!
Mit Feuer taufe meine Seele,
Daß sie zu dir sich, zu dir, erhebe!

Allgegenwärtig, Vater, umgibst du mich! —
Steh hier, Betrachtung, still, und forsche
Diesem Gedanken der Wonne nach!
Was wird das Anschaun sein,
Wenn der Gedank an dich,
Allgegenwärtiger!
Schon so viel Kräfte jener Welt hat!
Was wird es sein dein Anschaun,
Unendlicher! Unendlicher!

Das sah kein Auge,
Das hörte kein Ohr,
Das kam in keines Herz;
Wie sehr es auch rang,
Wie es nach Gott auch, nach Gott!
Nach dem Unendlichen dürstete,
Kams doch in keines Menschen Herz:
Was Gott bereitet hat
Denen, die ihn lieben!

Wenige nur, ach, wenige sind,
Deren Aug in der Schöpfung
Den, der geschaffen hat, sieht!
Wenige, deren Ohr
In dem mächtigen Rauschen des Sturmwinds,
Im Donner, der rollt,
Oder im lispelnden Bache,
Den Unerschaffnen hört!
Wenige Herzen erfüllt
Mit Ehrfurcht und Schauer
Gottes Allgegenwart!

Laß mich, im Heiligtume,
Dich, Allgegenwärtiger!
Stets suchen, und finden!
Und wenn er mir entflieht,
Dieser himmlische Gedanke,
Laß mich ihn tiefanbetend
Aus den Chören der Seraphim
Ihn mit lauten Tränen der Freude
Herunterrufen,
Damit ich, dich zu schaun,
Mich bereite, mich weihe,
Dich zu schaun!
Im Allerheiligsten!

Ich hebe mein Aug auf, und sehe,
Und siehe der Herr ist überall!
Erd, aus deren Staube
Der erste der Menschen geschaffen ward,
Auf der ich mein erstes Leben lebe!
In der ich verwesen,
Aus der ich auferstehn werde!
Gott, Gott würdigt auch dich,
Dir gegenwärtig zu sein!

Mit heiligem Schauer
Brech ich die Blum ab!
Gott machte sie!
Gott ist, wo die Blum ist!

Mit heiligem Schauer
Fühl ich das Wehn,
Hier ist das Rauschen der Lüfte!
Es hieß sie wehen, und rauschen,
Der Ewige!
Wo sie wehen, und rauschen,
Ist der Ewige!

Freu dich deines Todes, o Leib!
Wo du verwesen wirst,
Wird der Ewige sein!

Freu dich deines Todes, o Leib!
In den Tiefen der Schöpfung,
In den Höhen der Schöpfung,
Werden deine Trümmern verwehn!
Auch dort, Verwester, Verstäubter,
Wird er sein, der Ewige!

Die Höhen werden sich bücken!
Die Tiefen sich bücken!
Wenn der Allgegenwärtige nun
Wieder aus Staube
Unsterbliche schafft!

Halleluja dem Schaffenden!
Dem Tötenden Halleluja!
Halleluja dem Schaffenden!

Ich hebe mein Aug auf, und sehe!
Und siehe, der Herr ist überall!
Euch, Sonnen, euch, Erden, euch, Monde der Erden,
Erfüllet, rings um mich,
Seine göttliche Gegenwart! —

Geheimnisvolle Nacht der Welten,
Wie wir im dunkeln Worte schaun
Den, der ewig ist!
So schauen wir in dir, o Nacht der Welten,
Den, der ewig ist!

Hier steh ich Erde!
Was ist mein Leib
Gegen diese selbst den Engeln
Unzählbare Welten!
Was sind diese selbst den Engeln
Unzählbare Welten
Gegen meine Seele!

Ihr, der Unsterblichen, ihr, der Erlösten
Bist du näher als den Welten;
Denn sie denken, sie fühlen
Deine Gegenwart nicht!

Mit stillem Ernste dank ich dir,
Wenn ich sie denke!
Mit Freudentränen, mit namloser Wonne
Dank ich, o Vater, dir,
Wenn ich sie fühle!

Augenblicke deiner Erbarmungen
O Vater, sinds;
Wenn du das himmelvolle Gefühl
Deiner Allgegenwart
In meine Seele strahlst!

Ein solcher Augenblick
Ist ein Jahrhundert
Voll Seligkeit! —

Meine Seele dürstet
Wie nach der Auferstehung
Verdorrtes Gebein!

So dürstet meine Seele
Nach diesen Augenblicken
Deiner Erbarmungen!

Ich lieg, ich liege vor dir
Auf meinem Angesichte!
O läg ich, Vater, noch tiefer vor dir
Gebückt im Staube
Der untersten der Welten!

Du denkst, du empfindest,
O die du sein wirst!
Die du höher denken,
Und seliger empfinden,
Die du anschaun wirst!
Durch wen, o meine Seele?
Durch den, der war! und der ist! und der sein wird!

Du, den Worte nicht nennen,
Deine noch ungeschaute Gegenwart
Erleucht und erhebe
Jeden meiner Gedanken,
Leit ihn, Unerschaffner, zu dir!
Entflamm, und beflügle
Jede meiner Empfindungen,
Leite sie, Unerschaffner, zu dir!

Wer bin ich, o Erster!
Und wer bist du! –
Wer bist du? –

Stärke, kräftige, gründe mich,
Daß ich dein sei,
Auf ewig dein sei!

Ohn ihn, der sich für mich geopfert hat,
Könnt ich nicht dein sein!
Ohn ihn wär deine Gegenwart
Feuereifer und Rache mir!

Erd und Himmel vergehen;
Deine Verheißungen, Göttlicher, nicht!
Von dem ersten Gefallnen an,
Bis zu dem letzten Erlösten,
Den die Posaune der Auferstehung
Verwandeln wird,
Bist du bei den Deinen gewesen,
Wirst du bei den Deinen sein!

In die Wunden deiner Hände
Legt ich meine Finger nicht!
In die Wunde deiner Seite
Legt ich meine Hand nicht!
Aber du bist mein Herr! und mein Gott!

Mit Gnade sei mir gegenwärtig,
Mit Gnade! mit Gnade!

Es sind Worte des ewigen Lebens,
Die du betetest,
Eh du in Gethsemane
Ins Gericht gingst!

Hallet, Himmel, sie!
Stamml‘, o Erde, sie nach!

Laß alle sie eins sein!
Wie du, Vater, in mir bist,
Wie ich in dir bin!

So laß alle sie eins in uns sein!
Ich in ihnen!
Und du in mir!
Daß sie zu einer Vollkommenheit
Vollendet werden!

Hallt die Worte des ewigen Lebens, ihr Himmel!
Stamml‘, o Erde, sie nach!

Der für mich mit dem Tode rang!
Den Gott für mich verließ!
Der nicht erlag,
Als ihn der Ewige verließ,
Der ist in mir!

Gedanke meines tiefsten Erstaunens,
Ich bebe vor dir!
Da die Winde gewaltiger wehten,
Die höhere Wog‘ auf ihn strömte,
Sank Kephas!
Ich sinke!
Hilf mir, mein Herr! und mein Gott!


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