Gedichte Das hohe Lied von der Einzigen, in Geist und

Herzen empfangen am Altare der Vermählung.

Hört von meiner Auserwählten,
Höret an mein schönstes Lied!
Ha, ein Lied des Neubeseelten
Von der süßen Anvermählten,
Die ihm endlich Gott beschied!

Wie aus tiefer Ohnmacht Banden,
Wie aus Graus und Moderduft
In verschloßner Totengruft,
Fühlt er froh sich auferstanden
Zu des Frühlings Licht und Luft.

Zepter, Diademe, Thronen,
Gold und Silber hab‘ ich nicht:
Hätten auch, ihr voll zu lohnen,
Silber, Gold und Perlenkronen
Ein genügendes Gewicht.
Was ich habe, will ich geben.
Ihrem Namen, den mein Lied
Schüchtern sonst zu nennen mied,
Will ich schaffen Glanz und Leben
Durch mein höchstes Feierlied.

Schweig‘, o Chor der Nachtigallen!
Mir nur lausche jedes Ohr!
Murmelbach, hör‘ auf zu wallen!
Winde, laßt die Flügel fallen,
Rasselt nicht durch Laub und Rohr!
Halt in jedem Elemente,
Halt in Garten, Hain und Flur
Jeden Laut, der irgend nur
Meine Feier stören könnte,
Halt den Odem an, Natur!

Glorreich, wie des Äthers Bogen,
Reich gefiedert, wie der Schwan,
Auf des Wohllauts Silberwogen
Majestätisch fortgezogen,
Wall‘, o Lied, des Ruhmes Bahn!
Denn bis zu den letzten Tagen,
Die der kleinste Hauch erlebt,
Der von deutscher Lippe schwebt,
Sollst du deren Namen tragen,
Welche mich zum Gott erhebt.

Ja, zum himmelfrohen Gotte,
Der nun, frei und wohlgemut
Vor des Tadels Ernst und Spotte,
Wie in seiner Göttin Grotte
Nach dem Sturm Odysseus, ruht!
Sturm und Woge sind entschlafen,
Die durch Zonen, kalt und feucht,
Dürr und glühend, ihn gescheucht;
Seines Wonnelandes Hafen
Hat der Dulder nun erreicht.

Meine Stärke war gesunken;
Lechzend hing die Zung‘ am Gaum;
Alles Öl war ausgetrunken,
Und des Lebens letzter Funken
Glimmt‘ am dürren Tachte kaum.
Da zerriß die Wolkenhülle,
Wie durch Zauberwort und Schlang.
Heiter lacht‘ ein blauer Tag
Auf des Wunderheiles Fülle,
Welche duftend vor ihm lag.

Wonne weht von Thal und Hügel,
Weht von Flur und Wiesenplan,
Weht vom glatten Wasserspiegel,
Wonne weht mit weichem Flügel
Des Piloten Wangen an.
Ihr Gefieder, nicht mit Aschen
Trauriger Vergangenheit
Für die Schmähsucht mehr bestreut,
Glänzet rein und hell gewaschen,
Wie des Schwanes Silberkleid.

In dem Paradiesgefilde,
Wie sein Aug‘ es nimmer sah,
Waltet mit des Himmels Milde,
Nach der Gottheit Ebenbilde,
Adonid-Urania.
Froh hat sie ihn aufgenommen,
Hat erquickt mit süßem Lohn
Ihn, des Kummers müden Sohn.
„Nun, o lieber Mann, willkommen!“
Sang ihr Philomelenton.

Ach, in ihren Feenarmen
Nun zu ruhen, ohne Schuld;
An dem Busen zu erwarmen,
An dem Busen voll Erbarmen,
Voller Liebe, Treu‘ und Huld:
Das ist mehr, als von der Kette,
Aus der Folterkammer Pein,
Oder von dem Rabenstein
In der Wollust Flaumenbette
Durch ein Wort entrückt zu sein! –

Ist es wahr, was mir begegnet?
Oder Traum, der mich bethört,
Wie er oft den Armen segnet
Und ihm goldne Berge regnet,
Die ein Hahnenruf zerstört?
Darf ichs glauben, daß die Eine,
Die sich selbst in mir vergißt,
Den Vermählungskuß mir küßt?
Daß die Herrliche die Meine
Ganz vor Welt und Himmel ist? –

Hohe Namen zu erkiesen
Ziemt dir wohl, o Lautenspiel!
Nie wird Die zu hoch gepriesen,
Die so herrlich sich erwiesen,
Herrlich ohne Maß und Ziel:
Daß sie, trotz dem Hohngeschreie,
Trotz der Hoffnung Untergang,
Gegen Sturm und Wogendrang,
Mir gehalten Lieb‘ und Treue,
Mehr als hundert Monden lang.

Und warum, warum gehalten?
Konnt‘ ich, wie der Großsultan,
Über Millionen schalten?
War ich unter Mannsgestalten
Ein Apoll des Vatikan?
War ich Herzog großer Geister,
Prangend in dem Kranz von Licht,
Den die Hand der Fama flicht
War ich holder Künste Meister?
Ach, das alles war ich nicht!

Zwar – ich hätt‘ in Jünglingstagen,
Mit beglückter Liebe Kraft
Lenkend meinen Kämpferwagen,
Hundert mit Gesang geschlagen,
Tausende mit Wissenschaft!
Doch des Herzens Loos, zu darben,
Und der Gram, der mich verzehrt,
Hatten Trieb und Kraft zerstört.
Meiner Palmen Keime starben,
Eines mildern Lenzes wert.

Sie, mit aller Götter Gnaden
Hoch, an Seel‘ und Leib, geschmückt,
Schön und wert, Alcibiaden
Zur Umarmung einzuladen,
Hätt‘ ein Beßrer leicht beglückt.
Hymen hätte zur Belohnung
Sie im Freuden-Chor umschwebt,
Und ein Leben ihr gewebt,
Wie es in Kronions Wohnung
Hebe mit Alciden lebt.

Dennoch, ohne je zu wanken,
Käm‘ ihr ganzes Heil auch um,
Schlangen ihrer Liebe Ranken
Um den hingewelkten Kranken
Unablöslich sich herum.
Schmelzend im Bekümmernisse,
Daß der Eumeniden Schar,
Die um ihn gelagert war,
Nicht in Höllenglut ihn risse,
Bot sie sich zum Schirme dar. –

Macht in meiner Schuld, o Saiten,
Ihrer Tugend Adel kund!
Wahrheit knüpfe, des geweihten
Lautenschlägers Hand zu leiten,
Mit Gerechtigkeit den Bund!
Manche Tugend mag er missen:
Aber du, Gerechtigkeit,
Warst ihm heilig jederzeit!
Nein! Mit Willen und mit Wissen
Hat er nimmer dich entweiht.

Ruf es laut aus voller Seele:
Schuldlos war ihr Herz und Blut!
Welches Ziel die Rüge wähle,
O so trifft sie meine Fehle,
Fehle meiner Liebeswut!
Geißle mich des Hartsinns Tadel!
Wölke sich ob meiner Schuld
Selbst die Stirne milder Huld!
Büß‘ ich nur für ihren Adel,
O so büß‘ ich mit Geduld.

Ha, nicht linder Weste Blasen
Wehte mich zu Lieb‘ und Lust!
Nein, es war des Sturmes Rasen!
Flamme, Steine zu verglasen
Heiß genug, entfuhr der Brust!
Nur in Plutons grausen Landen
Hätten, eisern in der Pflicht,
Welche seine Not zerbricht,
Unholdinnen widerstanden:
Doch die zarte Holdin nicht! –

Unglückssohn, warum entflammte
Deinen Busen solche Glut?
Sprich woher, woher sie stammte?
Welches Dämons Macht verdammte,
Frevler, dich zu dieser Wut? –
Eitle Frage! Nimm, Gesunder,
Nimm mein Herz und meinen Sinn
Ohne dieses Fieber hin!
Staune dann noch ob dem Wunder,
Wie ich dieser war und bin!

Nimm mein Auge hin und schaue,
Schau in Ihres Auges Licht!
Ah, das klare, himmelblaue,
Das so heilig sein: Vertraue
Meinem Himmelssinne! spricht!
Sieh die Pfirsichzier der Wange,
Sieh nur halb, wie auf der Flucht,
Dieser Lippe Kirschenfrucht,
Ach, und werde von dem Drange
Deines Durstes nicht versucht!

Sieh, o Blöder, auf und nieder,
Sieh mit meinem Sinn den Bau
Und den Einklang ihrer Glieder!
Wende dann das Auge wieder,
Sprich: Ich sah nur eine Frau!
Sieh das Leben und das Weben
Dieser Graziengestalt,
Sieh es ruhig an und kalt!
Fühle nicht das Wonnebeben
Vor der Anmut Allgewalt!

Hat die Milde der Kamönen
Gütig dir ein Ohr verliehn,
Aufgethan den Zaubertönen,
Die in Leid – und Freudenthränen
Seelen aus den Busen ziehn:
O so neig‘ es ihrer Stimme
Und es ist um dich gethan!
Deine Seele faßt ein Wahn,
Daß sie in der Flut verglimme,
Wie ein Funk‘ im Ozean.

Nahe dich dem Taumelkreise,
Wo ihr Nelkenatem weht;
Wo ihr warmes Leben leise,
Nach Magnetenstromes Weise,
Dir an Leib und Seele geht!
Arm und Arm dann um einander!
An einander Brust und Brust!
Wenn du dann in heißer Lust –
Ha, du bist ein Salamander,
Wenn du nicht zerlodern mußt!

Steig‘ empor vom Erdenthale,
Was auch Florens Hand es kränzt!
Sonne dich, o Lied, im Strahle,
Der herab vom Sternensaale
Diesen Frühling überglänzt!
Siehe, wie des Maies Wonne,
So verarmt Autumnus Horn;
Wir verschwelgen Most und Korn:
Aber nie versiegt die Sonne,
Gottes goldner Segensborn.

Ohne Wandel durch die Jahre,
Durch den Wechsel aller Zeit,
Leuchtet hoch das reine, klare
Geistig-Schöne, Gute, Wahre
Dieser Seel‘ in Ewigkeit.
Lebensgeist, von Gott gehauchet,
Odem, Wärme, Licht zu Rat,
Kraft zu jeder Edelthat,
Selig, wer in dich sich tauchet,
Du der Seelen Labebad!

Schmeichelflut der Vorgefühle
Hoher Götterlust schon hier
Wallet oft, bei Frost und Schwüle,
Wie mit Wärme, so mit Kühle,
Lieblich um den Busen mir.
Fühlet wohl ein Gottesseher,
Wann sein Seelenaug‘ entzückt
In die bessern Welten blickt,
Fühlt er seinen Busen höher,
Unaussprechlicher beglückt?

O der Wahrheit! O der Güte,
Rein wie Perlen, ächt wie Gold!
O der Sittenanmut! Blühte
Je im weiblichen Gemüte
Jeder Tugend Reiz so hold?
Hinter sanfter Hügel Schirme,
Wo die Purpurbeere reift
Und der Liebe Nektar träuft,
Hat kein Fittich böser Stürme
Dies Elysium bestreift.

Da vergiftet nichts die Lüfte,
Nichts den Sonnenschein und Tau,
Nichts die Blum‘ und ihre Düfte;
Da sind keine Mördergrüfte,
Da beschleicht kein Tod die Au;
Da berückt dich keine Schlange,
Zwischen Moos und Klee versteckt;
Da umschwirrt dich kein Insekt,
So das Lächeln von der Wange,
Aus der Brust den Frieden neckt.

Alle deine Wünsche brechen
Ihre Früchte hier in Ruh;
Milch und Honig fließt in Bächen;
Töne wie vom Himmel sprechen
Labsal dir und Segen zu. –
Doch – du fühlest dich verlassen,
Lied, in dieser Region!
Lange weigern sich dir schon
Das Unsägliche zu fassen,
Bild, Gedanke, Wort und Ton. –

Der, dem sie die Götter schufen
Zur Genossin seiner Zeit,
Ist vor aller Welt berufen,
Zu erobern alle Stufen
Höchster Erdenseligkeit.
Ihm gedeihn des Glückes Saaten;
Seinem Wunsch ist jedes Heil,
Ehre, Macht und Reichtum feil:
Denn zu tausend Wunderthaten
Wird Vermögen ihm zu teil.

Durch den Balsam ihres Kusses
Höhnt das Leben Sarg und Grab;
Stark im Segen des Genusses
Gibt’s der Flut des Zeitenflusses
Keine seiner Blühten ab.
Rosicht hebt es sich und golden,
Wie des Morgens lichtes Haupt,
Seiner Jugend nie beraubt,
Aus dem Bette dieser Holden,
Mit verjüngtem Schmuck umlaubt.

Erd‘ und Himmel! Eine Solche
Sollt‘ ich nicht mein eigen sehn?
Über Nattern weg und Molche,
Mitten hin durch Pfeil‘ und Dolche
Konnt‘ ich stürmend nach ihr gehn.
Mit der Stimme der Empörung
Konnt‘ ich furchtbar: Sie ist mein!
Gegen alle Mächte schrein,
Tempel lieber der Zerstörung,
Eh‘ ich ihrer mißte, weihn.

Singt mir nicht das Lied von Andern!
Andre sind für mich nicht da:
Sollt‘ ich auch, gleich Alexandern,
Durch die Welt erobernd wandern.
West – und osthin, fern und nah.
Andre füllen Andrer Herzen;
Andre reizen Andrer Sinn.
Wann ich erst ein Andrer bin,
Dann sind Andrer Lust und Schmerzen
Mir Verlust auch und Gewinn.

Läßt so ganz nach allen Fernen,
So von Allem abgetrennt,
Was die Sehnsucht möchte körnen,
Schwebend zwischen Meer und Sternen,
Von des Durstes Glut verbrennt,
Läßt die Strebekraft sich dämpfen,
Wenn mir dann, so weit wir sehn,
Eine Labung nur erspähn?
Gilt was anders, als erkämpfen,
Oder kämpfend untergehn? –

Herr des Schicksals deine Hände
Wandten meinen Untergang!
Nun hat alle Fehd‘ ein Ende;
Mich, o neue Sonnenwende,
Grüßet jubelnd mein Gesang!
Hymen, den ich benedeie,
Der du mich der langen Last
Endlich nun entladen hast,
Habe Dank für deine Weihe!
Sei willkommen, Himmelsgast!

Bei willkommen, Fackelschwinger!
Sei gegrüßt im Freudenchor,
Schuldversöhner, Grambezwinger!
Sei gesegnet, Wiederbringer
Aller Huld, die ich verlor!
Ach, von Gott und Welt vergeben
Und vergessen werd‘ ich sehn
Alles, was nicht recht geschehen,
Wann im schönsten neuen Leben
Gott und Welt mich wandeln sehn.

Schände nun nicht mehr die Blume
Meiner Freuden, niedre Schmach!
Schleiche, bis zum Heiligtume
Frommer Unschuld, nicht dem Ruhme
Meiner Auserwählten nach!
Stirb nunmehr, verworfne Schlange!
Längst verheertest du genug!
Ihres Retters Adlerflug
Rauscht heran im Waffenklange
Dessen, der den Python schlug.

Schwing‘, o Lied, als Ehrenfahne
Deinen Fittich um ihr Haupt!
Und erstatte, trotz dem Wahne,
Was ihr mit dem Drachenzahne
Pöbellästerung geraubt!
Spät, wann dies‘ im Staubgewimmel
Längst des Unwerts Buße zahlt,
Strahl‘, in dies Panier gemalt,
Adonide, wie am Himmel
Dort die Halmen-Jungfrau strahlt.

Erdentöchter, unbesungen,
Roher Faunen Spiel und Scherz,
Seht, mit solchen Huldigungen
Lohnt die teuern Opferungen
Des gerechten Sängers Herz!
Offenbar und groß auf Erden,
Hoch und hehr zu jeder Frist,
Wie die Sonn‘ am Himmel ist,
Heißt ers vor den Edlen werden,
Was ihm seine Holdin ist. –

Lange hatt‘ ich mich gesehnet,
Lange hatt‘ ein stummer Drang
Meinen Busen ausgedehnet.
Endlich hast du sie gekrönet,
Meine Sehnsucht o Gesang!
Ach! dies bange süße Drücken
Macht vielleicht ihr Gegenstand
Nur der jungen Frau bekannt.
Trägt sie so nicht vom Entzücken
Der Vermählungsnacht das Pfand?

Ah, nun bist du mir geboren,
Schön, ein geistiger Adon!
Tanzet nun, in Lust verloren,
Ihr, der Liebe goldne Horen,
Tanzt um meinen schönsten Sohn!
Segnet ihn, ihr Pierinnen!
Laßt, o süße Melodie,
Laßt ihn, Schwester Harmonie,
Jedes Ohr und Herz gewinnen,
Jede Götterphantasie!

Nimm, o Sohn, Meistersiegel
Der Vollendung an die Stirn!
Ewig strahlen dir die Flügel,
Meines Geistes helle Spiegel,
Wie der Liebe Nachtgestirn!
Schweb‘, o Liebling, nun hinnieder,
Schweb‘ in deiner Herrlichkeit
Stolz hinab den Strom der Zeit!
Keiner wird von nun an wieder
Deiner Töne Pomp geweiht.


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Gedichte Das hohe Lied von der Einzigen, in Geist und - Bürger