Gedichte Zahme Xenien

VII

Widmung
„Deine Werke zu höchster Belehrung
Studier ich bei Tag und bei Nacht;
Drum hab ich in tiefster Verehrung
Dir ganz was Absurdes gebracht.“

So wie der Papst auf seinem Thron,
So sitzt der Akademiker auf seinem Lohn;
Er ist bepfründet, hat er mehr zu hoffen?
„Die Welt ist weit, den Narren steht sie offen.
Wir sind behäglich, können tätig ruhn;
Macht euch, ihr Toren, Tag für Tag zu tun.“

Autochthonisch, autodidaktisch
Lebst du so hin, verblendete Seele!
Komm nur heran, versuche dich! Praktisch
Merkst du verdrießlich, wie’s überall fehle.

„Ich hielt mich stets von Meistern entfernt;
Nachtreten wäre mir Schmach!
Hab alles von mir selbst gelernt.“ –
Es ist auch darnach!

Niemand wird sich selber kennen,
Sich von seinem Selbst-Ich trennen;
Doch probier er jeden Tag,
Was nach außen endlich, klar,
Was er ist und was er war,
Was er kann und was er mag.

Wie sind die vielen doch beflissen!
Und es verwirrt sie nur der Fleiß.
Sie möchten’s gerne anders wissen
Als einer, der das Rechte weiß.

Verfahre ruhig, still,
Brauchst dich nicht anzupassen;
Nur wer was gelten will,
Muß andre gelten lassen.

Der Würdige, vom Rhein zum Belt
Reist er, die Natur zu ergründen!
Er reise durch die ganze Welt,
Seine Meinung wird er finden.

„Ein neu Projekt ward vorgebracht;
Willst du dich nicht damit befassen?“
Habe schon mal bankrott gemacht,
Nun will ich’s andern überlassen.

Wie’s aber in der Welt zugeht,
Eigentlich niemand recht versteht,
Und auch bis auf den heutigen Tag
Niemand gerne verstehen mag.

Gehabe du dich mit Verstand,
Wie dir eben der Tag zur Hand;
Denk immer: Ist’s gegangen bis jetzt,
So wird es auch wohl gehen zuletzt.

Was soll mir euer Hohn
Über das All und Eine?
Der Professor ist eine Person,
Gott ist keine.

Es lehrt ein großer Physikus
Mit seinen Schulverwandten:
„Nil luce obscurius!“ –
Jawohl, für Obskuranten!

Ich wollte gern sie gelten lassen,
Wenn nur auch andre sie gelten ließen;
Das will aber doch nirgend greifen und fassen,
Warum befaß ich mich mit diesen!

Ich gönnt ihnen gerne Lob und Ehre,
Können’s aber nicht von außen haben.
Sie sehen endlich doch ihre Lehre
In Caffarelli begraben.

„Sag uns doch, warum deine Galle
Immerfort ins Ferne weist?“ –
Gefühl habt ihr alle,
Aber keinen Geist.

„Warum, o Steuermann, deinen Kiel
Wendest du gerad nach dem Riffe?“ –
Man begriffe nicht der Toren Ziel,
Wenn man sich nicht selbst begriffe.

Nicht Augenblicke steh ich still
Bei so verstockten Sündern,
Und wer nicht mit mir schreiten will,
Soll meinen Schritt nicht hindern.

Ja! ich rechne mir’s zur Ehre,
Wandle fernerhin allein!
Und wenn es ein Irrtum wäre,
Soll es doch nicht eurer sein!

„Wirst nicht bei jedem Wanderschritt
Wie sonst wohl angezogen.“ –
Ich bringe den Betrug nicht mit,
Drum werd ich nicht betrogen.

Der Dichter freut sich am Talent,
An schöner Geistesgabe;
Doch wenn’s ihm auf die Nägel brennt,
Begehrt er irdischer Habe.
Mit Recht soll der reale Witz
Urenkeln sich erneuern;
Es ist ein irdischer Besitz –
Muß ich ihn doch versteuern!

Was Alte lustig sungen,
Das zwitschern muntre Jungen;

Was tüchtige Herren taten,
Wird Knechten auch geraten;
Was einer kühn geleistet,
Gar mancher sich erdreistet.

„Wohl kamst du durch; so ging es allenfalls.“
Mach’s einer nach und breche nicht den Hals.

Was viele singen und sagen,
Das müssen wir eben ertragen!
Ihr Guten – Großer und Kleiner -,
Ihr singt euch müde und matt;
Und es singt doch keiner,
Als was er zu sagen hat.

„Wie hast du’s denn so weit gebracht?
Sie sagen, du habest es gut vollbracht!“ –
Mein Kind! ich hab es klug gemacht:
Ich habe nie über das Denken gedacht.

Was wir Dichter ins Enge bringen,
Wird von ihnen ins Weite geklaubt.
Das Wahre klären sie an den Dingen,
Bis niemand mehr dran glaubt.

Ein bißchen Ruf, ein wenig Ehre,
Was macht es euch für Not und Pein!
Und wenn ich auch nicht Goethe wäre,
So möcht ich doch nicht… sein.

„Meinst du denn alles, was du sagst?“
Meinst du denn ernstlich, was du fragst?
Wen kümmert’s, was ich meine und sage:
Denn alles Meinen ist nur Frage.

Wartet nur! Alles wird sich schicken,
Was man von Mir auch denken mag;
Mein Buch bringt es einmal zutag
In usum Delphini mit Lücken.

Den Reimkollegen
Möchte gern lustig zu euch treten,
Ihr macht mir’s sauer und wißt nicht wie.
Gibt’s denn einen modernen Poeten
Ohne Heautontimorumenie?

Wer hätte auf deutsche Blätter acht Morgens,
Mittag, Abend und Mitternacht,
Der wär um alle seine Zeit gebracht,
Hätte weder Stunde noch Tag noch Nacht
Und wär ums ganze Jahr gebracht;
Das hätt ich ihm gar sehr verdacht.

Was reimt der Junge, der Franzos,
Uns alte Herren zu belehren!
Die Zeit ist wie der Teufel los,
Die weiß allein uns zu bekehren.

Seid ihr verrückt? was fällt euch ein,
Den alten Faustus zu verneinen!
Der Teufelskerl muß eine Welt sein,
Dergleichen Widerwärt’ges zu vereinen.

Ein jeder denkt in seinem Dunst,
Andrer Verdienst sei winzig klein.
Bewahre jeder die Vergunst,
Auf seine Weise toll zu sein.

Nein! für den Poeten ist’s zuviel,
Dieses entsetzliche Strafgericht!
Verdammet ist mein Trauerspiel,
Und die alte Tante nicht.

„Mephisto scheint ganz nah zu sein!“
Es deucht mich fast, er spricht mit ein.
In manchen wunderlichen Stunden
Hat er sich selbst das Maul verbunden;
Doch blickt er über die Binde her,
Als wenn er ein doppelter Teufel wär.

Geiz
Ist der Vater auf Geld ersessen
Und nutzt sogar die Lampenschnuppen,
Kriegen sie den Sohn in die Kluppen,
Juden und Huren, die werden’s fressen.

Schilt nicht den Schelmen, der eifrig bemüht,
Bald so, bald so sich zu wenden:
Wenn er den Teufel am Schwanze zieht,
Ihm bleibt ein Haar in den Händen.
Sosehr es auch widert, sosehr es auch stinkt –
Man kann es immer nicht wissen –
Es wird vielleicht, wenn es glückt und gelingt,
Für Moschus gelten müssen.

Ich wollt euch große Namen sagen,
Die sollten sich gar sehr beklagen,
Wenn ich sänge, wie ich’s meine;
Und doch mein ich’s nicht alleine:
Gar manche sind im stillen beflissen,
Bedenken Seele, Gott und Welt
Und sind zufrieden, rein zu wissen,
Was andern mißfällt.

Denk an die Menschen nicht,
Denk an die Sachen!
Da kommt ein junger Mensch,
Wird was draus machen;
Das alte Volk, es ist
Ja selbst nur Sache;
Ich bin nur immer jung,
Daß ich was mache;
Wer jung verbleiben will,
Denk, daß er mache –
Und wenn’s nicht Kinder sind,
In anderm Fache.

Anstatt daß ihr bedächtig steht,
Versucht’s zusammen eine Strecke;
Wißt ihr auch nicht, wohin es geht,
So kommt ihr wenigstens vom Flecke.

Sage mir, mit wem zu sprechen
Dir genehm, gemütlich ist;
Ohne mir den Kopf zu brechen,
Weiß ich deutlich, wie du bist.

Jeder geht zum Theater heraus,
Diesmal es war ein volles Haus;
Er lobt und schilt, wie er’s gefühlt,
Er denkt, man habe für ihn gespielt.

Ob ich liebe, ob ich hasse!
Nur soll ich nicht schelten.
Wenn ich die Leute gelten lasse,
Läßt man mich gelten.

Du Narr! begünstige die Pfuscherei,
So bist du überall zu Hause.

Was waren das für schöne Zeiten!
In Ecclesia mulier taceat!
Jetzt, da eine jegliche Stimme hat,
Was will Ecclesia bedeuten.

Was die Weiber lieben und hassen,
Das wollen wir ihnen gelten lassen;
Wenn sie aber urteilen und meinen,
Da will’s oft wunderlich erscheinen.

Und sie in ihrer warmen Sphäre
Fühlt sich behaglich, zierlich, fein:
Da sie nicht ohne den Menschen wäre,
So dünkt sie sich ein Mensch zu sein.

Totengräbers Tochter sah ich gehn;
Ihre Mutter hatte sich an keiner Leiche versehn!
Was helfen den Jungfern alle Gaben!
Weder Augen noch Ohren sollten sie haben.

Sich läßt die junge Frau als Heloise malen;
Will sie mit ihrem Manne prahlen?

Die schönen Frauen jung und alt
Sind nicht gemacht, sich abzuhärmen;
Und sind einmal die edlen Helden kalt,
So kann man sich an Schluckern wärmen.

Ich ehre mir die Würde der Frauen;
Aber damit sie Würde hätten,
Sollten sie sich nicht alleine betten,
Sollten sich an Männerwürde erbauen.

Das Publikum
„Wir haben dir Klatsch auf Geklatsche gemacht,
Wie schief!
Und haben dich schnell in die Patsche gebracht,
Wie tief!
Wir lachen dich aus,
Nun hilf dir heraus!
Ade.“

Herr Ego
Und red ich dagegen, so wird nur der Klatsch
Verschlimmert;
Mein liebliches Leben im nichtigen Patsch
Verkümmert.
Schon bin ich heraus;
Ich mach mir nichts draus. Ade.

Ich habe nie mit euch gestritten,
Philisterpfaffen! Neiderbrut!
Unartig seid ihr wie die Briten,
Doch zahlt ihr lange nicht so gut.

Der Gotteserde lichten Saal
Verdüstern sie zum Jammertal;
Daran entdecken wir geschwind,
Wie jämmerlich sie selber sind.

Da loben sie den Faust
Und was noch sunsten
In meinen Schriften braust
Zu ihren Gunsten;
Das alte Mick und Mack,
Das freut sie sehr;
Es meint das Lumpenpack,
Man wär’s nicht mehr!

„Wie bist du so ausgeartet?
Sonst warst du am Abend so herrlich und hehr!“
Wenn man kein Schätzchen erwartet,
Gibt’s keine Nacht mehr.

Unbesonnenheit ziert die Jugend,
Sie will eben vorwärts leben;
Der Fehler wird zur Tugend.
Im Alter muß man auf sich achtgeben.

„Meinst du es redlich mit solchem Schmerz? –
Geh! Heuchlerisch ist dein Bemühn.“
Der Schauspieler gewinnt das Herz,
Aber er gibt nicht seines hin.

Welch ein wunderlich Exempel! –
Hör ich, daß man sich mokiere,
Wie man mir den hehren Tempel,
Vestas Tempel, dediziere;
Doch ich übergehe diesen
Vorwurf mit gefaßter Miene:
Denn es muß mich sehr verdrießen,
Daß ich’s nur zu wohl verdiene.

„Zu Goethes Denkmal, was zahlst du jetzt?“
Fragt dieser, jener und der. –
Hätt ich mir nicht selbst ein Denkmal gesetzt,
Das Denkmal, wo käm es denn her?

Ihr könnt mir immer ungescheut
Wie Blüchern Denkmal setzen;
Von Franzen hat er euch befreit,
Ich von Philisternetzen.

Was ist ein Philister?
Ein hohler Darm,
Mit Furcht und Hoffnung ausgefüllt.
Daß Gott erbarm!

Bist undankbar, so hast nicht recht;
Bist du dankbar, so geht dir’s schlecht:
Den rechten Weg wirst nie vermissen,
Handle nur nach Gefühl und Gewissen.

Wen die Dankbarkeit geniert,
Der ist übel dran;
Denke, wer dich erst geführt,
Wer für dich getan!

VIII

Axiom
Freund, wer ein Lump ist, bleibt ein Lump,
Zu Wagen, Pferd und Fuße;
Drum glaub an keinen Lumpen je,
An keines Lumpen Buße.

Bin ich für ’ne Sache eingenommen,
Die Welt, denk ich, muß mit mir kommen;
Doch welch ein Greuel muß mir erscheinen,
Wenn Lumpe sich wollen mit mir vereinen.

Für und wider zu dieser Stunde
Quengelt ihr schon seit vielen Jahren:
Was ich getan, ihr Lumpenhunde!
Werdet ihr nimmermehr erfahren.

„So sei doch höflich!“ – Höflich mit dem Pack?
Mit Seide näht man keinen groben Sack.

Wie mancher Mißwillige schnuffelt und wittert
Um das von der Muse verliehne Gedicht;
Sie haben Lessing das Ende verbittert –
Mir sollen sie’s nicht!
Jedem redlichen Bemühn
Sei Beharrlichkeit verliehn.

Jeder Weg zum rechten Zwecke
Ist auch recht in jeder Strecke.

Wer mit dem Leben spielt,
Kommt nie zurecht;
Wer sich nicht selbst befiehlt,
Bleibt immer ein Knecht.

Gut verloren – etwas verloren!
Mußt rasch dich besinnen
Und neues gewinnen. Ehre verloren – viel verloren!
Mußt Ruhm gewinnen,
Da werden die Leute sich anders besinnen.
Mut verloren – alles verloren!
Da wär es besser: nicht geboren.

Willst du dir ein gut Leben zimmern,
Mußt ums Vergangne dich nicht bekümmern,
Und wäre dir auch was verloren,
Erweise dich wie neugeboren;
Was jeder Tag will, sollst du fragen,
Was jeder Tag will, wird er sagen;
Mußt dich an eigenem Tun ergötzen,
Was andre tun, das wirst du schätzen;
Besonders keinen Menschen hassen
Und das übrige Gott überlassen.

Bekenntnis heißt nach altem Brauch
Geständnis, wie man’s meint;
Man rede frei, und wenn man auch
Nur Zwei und Drei vereint.

Das Opfer, das die Liebe bringt,
Es ist das teuerste von allen;
Doch wer sein Eigenstes bezwingt,
Dem ist das schönste Los gefallen.

Nur wenn das Herz erschlossen,
Dann ist die Erde schön.
Du standest so verdrossen
Und wußtest nicht zu sehn.

Der Zaubrer fordert leidenschaftlich wild
Von Höll und Himmel sich Helenens Bild;
Trät er zu mir in heitern Morgenstunden,
Das Liebenswürdigste wär friedlich ihm gefunden.

Zu verschweigen meinen Gewinn,
Muß ich die Menschen vermeiden;
Daß ich wisse, woran ich bin,
Das wollen die andern nicht leiden.

Der Philosoph, dem ich so gern vertraue,
Lehrt, wo nicht gegen alle, doch die meisten,
Daß unbewußt wir stets das Beste leisten:
Das glaubt man gern und lebt nun frisch ins Blaue.
Der Dichter schaut in Weltgewühle,
Sieht jeden Menschen mit sich selbst befangen,
Bald heitern Sinns, bald bänglicher Gefühle,
Doch hat er Zwecke. Daß er die erlange,
Sucht er den eignen Weg zum eignen Ziele.
Was das bedeute, merkt er sich und allen,
Und was bedeutet, läßt er sich gefallen.

Gar mancher hat sich ernst beflissen
Und hatte dennoch schlechten Lohn.
Es ist ganz eigen: wenn sie wissen,
So meinen sie, sie wüßten schon.

In die Welt hinaus!
Außer dem Haus
Ist immer das beste Leben;
Wem’s zu Hause gefällt,
Ist nicht für die Welt –
Mag er leben!

Seh ich zum Wagen heraus
Mich nach jemand um,
So macht er gleich was draus;
Er denkt, ich grüß ihn stumm,
Und er hat recht.

Annonce
„Ein Hündchen wird gesucht,
Das weder murrt noch beißt,
Zerbrochene Gläser frißt
Und Diamanten…….“

Erwiderungen
Wie mir dein Buch gefällt? –
Will dich nicht kränken:
Um alles in der Welt
Möchte nicht so denken.

Wie mir dein Buch gefällt?
Ich lasse mir’s schenken;
Hie und da in der Welt
Mag man wohl so denken.

Es ist nicht zu schelten,
Man laß es gelten!
Ich aber bin kein Haar
Weiter, als ich war.

Welch hoher Dank ist dem zu sagen,
Der frisch uns an das Buch gebracht,
Das allem Forschen, allen Klagen
Ein grandioses Ende macht.

Du, der Gefällige,
Warum du so fürchterlich bist? –
Das zu Gefällige
Ist ähnlich der List.

Jüngling, merke dir in Zeiten,
Wo sich Geist und Sinn erhöht,
Daß die Muse zu begleiten,
Doch zu leiten nicht versteht.

Angedenken an das Gute
Hält uns immer frisch bei Mute.

Angedenken an das Schöne
Ist das Heil der Erdensöhne.

Angedenken an das Liebe,
Glücklich! wenn’s lebendig bliebe.

Angedenken an das Eine
Bleibt das Beste, was ich meine.

Daß ich bezahle,
Um zu verführen,
Das gilt in Westen,
Das gilt in Osten.
Daß ich bezahle,
Um zu verlieren,
Das sind, ich dächte,
Sehr falsche Kosten.

Seit einigen Tagen
Machst du mir ein bös Gesicht.
Du denkst wohl, ich soll fragen,
Welche Mücke dich sticht.

Das soll nun auch in meinen Sinn:
Zur Majestät ein Luder!
Mir wird für Schrecken siedend heiß,
Wie meine Haare weiß, so weiß
Ist auch gewiß mein Puder;
Und eine Luder-Königin Ist auch so weiß wie Puder.

Bist eingeladen! Aber dein Gewinn
Ist nicht beim Schmause.
Wie ich eine Schone los bin,
Bin gleich zu Hause.

Magst du jemand Feste geben,
Dem du schwer verschuldet?
Kannst du doch mit niemand leben,
Der dich allenfalls nur duldet.

Dir, alter Jason, noch so spät
Keimt abermal ein feindlicher Hauf:
Als hätte man K-s Zähne gesät,
Die Saat wächst grimmiger immer auf.

Mir und dir ist niemand hold,
Das ist unser beider Schuld.

„Warum ist denn das Urteil allzu kurz?“
Ein jeder schnuffelt nach dem eignen Furz.
Ich schelt euch nicht, wär es nicht Allgebrauch;
Wenn ich’s täte, tätet ihr’s denn auch?

Das mußt du als ein Knabe leiden,
Daß dich die Schule tüchtig reckt.
Die alten Sprachen sind die Scheiden,
Darin das Messer des Geistes steckt.

Wer mag denn gleich Vortreffliches hören?
Nur Mittelmäßige sollten lehren.

Viele Kinder, und schöne, werden gezeugt,
Weil sich auch Garstig zu Garstig neigt.
Hier schadet keineswegs das Gesicht:
Denn mit dem Gesichte zeugt man nicht.

Hier aber folgt noch allzuvieles
In meinen Papieren lustigen Spieles;
Da nickt mir ein artig Kind ins Gesicht –
Ich weiß nicht, soll ich? Soll ich nicht?

Zur Strafe, dafür es jeden graut,
Ist der Himmel neben die Hölle gebaut,
Damit die armen, verdammten Seelen
Vergeblich horchend baß sich quälen.
Drum, teure Kinder, seid fromm und gut,
Besonders hütet euch für Wankelmut.

Wer lebenslang dir wohlgetan,
Verletzung rechne dem nicht an.

Auch ich verharre meiner Pflicht;
Der Schatten weicht der Sonne nicht.

Eignes Geschick geht mir nicht nah,
Der ich Königinnen weinen sah.

Und ein Gewebe, sollt es ewig sein?
Zerstört’s die Magd nicht, reißt die Spinn es selber ein.

Der einmal ein Zaubrer hieß,
Eben weil er bezaubert war,
Sich von Seelchen beseelen ließ,
Weil ihm dies behagte gar,
Jetzt mit Wörtlein eingeschlungen
Steigert er des Liedes Drang,
Zeugnis, wie er selbst durchdrungen
Fühlet, was man fühlend sang.

Was soll der Stolz,
Das Gerede, der Spott?
So nimm doch Holz
Und schnitz auch einen Gott.

Um niemand zu schelten, um niemand zu preisen,
Darf ich euch nur aufs Alte verweisen:
Denn das ist klassisch im echten Sinn,
Was ihr jetzt seid und ich jetzt bin.

Den Dichter könnt ihr mir nicht nehmen,
Den Menschen geb ich euch preis;
Auch der darf sich nicht schämen,
Greift doch an euren Steiß.

Sie werden so lange votieren und schnacken,
Wir sehen endlich wieder Kosaken;
Die haben uns vom Tyrannen befreit,
Sie befrein uns auch wohl von der Freiheit.

Läßt sich einer zur Tafel läuten,
Das Essen hat wenig zu bedeuten.

Kann die Vorsicht größer sein,
Das Unheil zu entfernen!
Ich seh bei hellem Mondenschein
Nachtwächter mit Laternen.

Ämtchen bringen Käppchen,
Ämtchen bringen Läppchen;
Reißen oft die Kappen
Und das Kleid in Lappen.

Die Mächtigen wollte Gott verschönen –
Warum sollt ihnen das Volk nicht frönen?

Der Zeitungsleser sei gesegnet,
Der liest, was heute mir begegnet.

Wollte Gott die Menschen belehren,
Mußt er ihnen nicht den Rücken kehren;
Und sollten sie auf ihr Bestes passen,
Mußt er sich nicht schlecht behandeln lassen.

Euer Geflüster und leises Fispeln
Mag ich am Ende nicht mehr ertragen.
Nur, stille nur! wenn alle lispeln,
Wird einer es auch am Ende sagen.

Die Zwei Marien. Zwei Romane
Der hat’s den Engeln, der den Teufeln abgelauscht;
Franzos und Deutscher haben die Rollen getauscht.

Quodlibet Treib es mit ihm, wie dir’s gefällt,
Auch Grobheit wird dir was erwerben.
Er ist der gründlichste Schuft von der Welt,
Man kann es nie mit ihm verderben.

So sehr dir auch der Topf gefällt,
Was nutzen dir zuletzt die Scherben?
Er ist der gründlichste Schuft von der Welt,
Man kann es nicht mehr mir ihm verderben.

Fahre fort im Sündenleben,
Wirst den vier Winden noch Tritte geben.

Trauerreglement
Dieses Heft Persönlichkeiten
Spar ich euch auf späte Zeiten:
Scheidend will ich nicht betrüben,
Ihr sollt lachen, meine Lieben.

Er ist noch weit vom Schluß entfernt,
Er hat das Ende nicht gelernt.

Die ihrem Mann allein gewährt vergnügte Stunden,
Ich gehe noch herum! ich hab sie nicht gefunden.

Du nimmst zuletzt doch auch
Für deine Schriften,
So wie es ist der Brauch,
Reichliche Giften.

An den neuen Sankt Antonius
Herr Bruder,
Welch ein Luder
Bringst du in deine Einsiedelei!
Ohne Zweifel,
Dich versucht der Teufel.
Gott steh uns bei!

Die Pest an Herrn Posselt
Man sucht mich von des Meeres Strand,
Von Landes Grenze zu entfernen,
Doch hoff ich sehr, dein Vaterland
Soll mich auch nächstens kennenlernen.

Der Bettler jammert wie der Fürst,
Die Kleinen heulen wie die Großen;
Doch hoff ich, daß du mich so höchlich preisen wirst
Wie meine Vettern, die Franzosen.

Willst du noch die Teufel bannen
Mit dem Fluch aus deutschem Herzen,
Da Tyrannen nach Tyrannen
Mark erdrücken und verscherzen?

Ihr Bestien, ihr wolltet glauben,
Ich sollte höflich sein?
Der Hund, der seine Steine kennt,
Er scheißt auch auf den Stein.

Dem Hülfsbedürft’gen immerdar bereit!

J.
Und du versprichst, es gilt für alle Zeit?

R.
Jetzt heiß ich Rom, dann heiß ich Menschlichkeit.

Ein jeder lese, was der eine schrieb,
Ein jeder sage dir: du bist uns lieb.

Gott, heißt es, schied die Finsternis vom Licht,
Doch mocht es ihm nicht ganz gelingen,
Denn wenn das Licht in Farben sich erbricht,
Mußt es vorher die Finsternis verschlingen.

Wer aber das Licht in Farben will spalten,
Den mußt du für einen Affen halten.
Sie sagen’s auch nur, weil sie’s gelernt;
Das Untersuchen ist weit entfernt.

Einer machte das Hokuspokus,
Die andern fanden’s großen Jokus
Und tanzen nun zu unsrer Plag
Taranteltanz bis auf diesen Tag.

Bei Saadi, gedenk ich mich,
Ist hundertsechzehn Jahr alt worden.
Er hat mehr ausgestanden als ich,
Und ich bin doch von seinem Orden.

IX

„Sag, was enthält die Kirchengeschichte?
Sie wird mir in Gedanken zunichte;
Es gibt unendlich viel zu lesen,
Was ist denn aber das alles gewesen?“

Zwei Gegner sind es, die sich boxen,
Die Arianer und Orthodoxen.
Durch viele Säkla dasselbe geschicht,
Es dauert bis an das Jüngste Gericht.

Der Vater ewig in Ruhe bleibt,
Er hat der Welt sich einverleibt.

Der Sohn hat Großes unternommen:
Die Welt zu erlösen, ist angekommen;
Hat gut gelehrt und viel ertragen,
Wie das [?] noch heut in unsern Tagen.

Nun aber kommt der Heilig Geist,
Er wirkt am Pfingsten allermeist.
Woher er kommt, wohin er weht,
Das hat noch niemand ausgespäht.
Sie geben ihm nur eine kurze Frist,
Da er doch Erst‘ und Letzter ist.

Deswegen wir treulich, unverstohlen
Das alte Credo wiederholen:
Anbetend sind wir all‘ bereit
Die ewige Dreifaltigkeit.

Mit Kirchengeschichte was hab ich zu schaffen?
Ich sehe weiter nichts als Pfaffen;
Wie’s um die Christen steht, die Gemeinen,
Davon will mir gar nichts erscheinen.

Ich hätt auch können Gemeinde sagen,
Ebensowenig wäre zu erfragen.

Glaubt nicht, daß ich fasele, daß ich dichte;
Seht hin und findet mir andre Gestalt!
Es ist die ganze Kirchengeschichte
Mischmasch von Irrtum und von Gewalt.

Ihr Gläubigen! rühmt nur nicht euren Glauben
Als einzigen! Wir glauben auch wie ihr.
Der Forscher läßt sich keineswegs berauben
Des Erbteils, aller Welt gegönnt – und mir.

Ein Sadduzäer will ich bleiben! –
Das könnte mich zur Verzweiflung treiben,
Wenn von dem Volk, das hier mich bedrängt,
Auch würde die Ewigkeit eingeengt;
Das wäre doch nur der alte Platsch,
Droben gäb’s nur verklärten Klatsch.
„Sei nicht so heftig, sei nicht so dumm!
Da drüben bildet sich alles um.“

Ich habe nichts gegen die Frömmigkeit,
Sie ist zugleich Bequemlichkeit;
Wer ohne Frömmigkeit will leben,
Muß großer Mühe sich ergeben:
Auf seine eigne Hand zu wandern,
Sich selbst genügen und den andern
Und freilich auch dabei vertraun,
Gott werde wohl auf ihn niederschaun.

Wer Wissenschaft und Kunst besitzt,
Hat auch Religion;
Wer jene beiden nicht besitzt,
Der habe Religion.

Niemand soll ins Kloster gehn,
Als er sei denn wohl versehn
Mit gehörigem Sündenvorrat,
Damit es ihm so früh als spat
Nicht mög am Vergnügen fehlen,
Sich mit Reue durchzuquälen.

Laßt euch nur von Pfaffen sagen,
Was die Kreuzigung eingetragen!
Niemand kommt zum höchsten Flor
Von Kranz und Orden,
Wenn einer nicht zuvor
Derb gedroschen worden.

Den deutschen Mannen gereicht’s zum Ruhm,
Daß sie gehaßt das Christentum,
Bis Herrn Carolus‘ leidigem Degen
Die edlen Sachsen unterlegen.

Doch haben sie lange genug gerungen,
Bis endlich die Pfaffen sie bezwungen
Und sie sich unters Joch geduckt;
Doch haben sie immer einmal gemuckt.
Sie lagen nur im halben Schlaf,
Als Luther die Bibel verdeutscht so brav.
Sankt Paulus, wie ein Ritter derb,
Erschien den Rittern minder herb.
Freiheit erwacht in jeder Brust,
Wir protestieren all mit Lust.

„Ist Konkordat und Kirchenplan
Nicht glücklich durchgeführt?“ –
Ja fangt einmal mit Rom nur an,
Da seid ihr angeführt.

Ein lutherischer Geistlicher spricht:
Heiliger, lieber Luther,
Du schabtest die Butter
Deinen Gesellen vom Brot,
Das verzeihe dir Gott!

Den Vereinigten Staaten
Amerika, du hast es besser
Als unser Kontinent, das alte,
Hast keine verfallene Schlösser
Und keine Basalte.
Dich stört nicht im Innern
Zu lebendiger Zeit
Unnützes Erinnern
Und vergeblicher Streit.

Benutzt die Gegenwart mit Glück!
Und wenn nun eure Kinder dichten,
Bewahre sie ein gut Geschick
Vor Ritter-, Räuber – und Gespenstergeschichten.

Bei einer großen Wassersnot
Rief man zu Hülfe das Feuer,
Da ward sogleich der Himmel rot,
Und nirgend war es geheuer:
Durch Wälder und Felder kamen gerannt
Die Blitze zu flammenden Rotten,
Die ganze Erde, sie war verbrannt,
Noch eh die Fische gesotten.

Und als die Fische gesotten waren,
Bereitet‘ man große Feste;
Ein jeder brachte sein Schüsselein mit,
Groß war die Zahl der Gäste;
Ein jeder drängte sich herbei,
Hier gab es keine Faule;
Die Gröbsten aber schlugen sich durch
Und fraßen’s den andern vom Maule.

Die Engel stritten für uns Gerechte,
Zogen den kürzern in jedem Gefechte;
Da stürzte denn alles drüber und drunter,
Dem Teufel gehörte der ganze Plunder.
Nun ging es an ein Beten und Flehen!
Gott ward bewegt, hereinzusehen.
Spricht Logos, dem die Sache klar
Von Ewigkeit her gewesen war:
Sie sollten sich keineswegs genieren,
Sich auch einmal als Teufel gerieren,
Auf jede Weise den Sieg erringen
Und hierauf das Tedeum singen.

Das ließen sie sich nicht zweimal sagen,
Und siehe! die Teufel waren geschlagen.
Natürlich fanden sie hinterdrein,
Es sei recht hübsch, ein Teufel zu sein.

Wenn auch der Held sich selbst genug ist,
Verbunden geht es doch geschwinder;
Und wenn der Überwundne klug ist,
Gesellt er sich zum Überwinder.

Die reitenden Helden vom festen Land
Haben jetzt gar viel zu bedeuten;
Doch stünd es ganz in meiner Hand,
Ein Meerpferd möcht ich reiten.


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Gedichte Zahme Xenien - Goethe