Gedichte Burg Tübingen

Still und öde steht der Väter Feste,
Schwarz und moosbewachsen Pfort und Turm,
Durch der Felsenwände trübe Reste
Saust um Mitternacht der Wintersturm,
Dieser schaurigen Gemache Trümmer,
Heischen sich umsonst ein Siegesmal,
Und des Schlachtgerätes Heiligtümer
Schlummern Todesschlaf im Waffensaal.

Hier ertönen keine Festgesänge,
Lobzupreisen Manas Heldenland,
Keine Fahne weht im Siegsgepränge
Hochgehoben in des Kriegers Hand,
Keine Rosse wiehern in den Toren,
Bis die Edeln zum Turniere nahn,
Keine Doggen, treu, und auserkoren,
Schmiegen sich den blanken Panzer an.

Bei des Hiefhorns schallendem Getöne
Zieht kein Fräulein in der Hirsche Tal,
Siegesdürstend gürten keine Söhne
Um die Lenden ihrer Väter Stahl,
Keine Mütter jauchzen von der Zinne
Ob der Knaben stolzer Wiederkehr,
Und den ersten Kuß verschämter Minne
Weihn der Narbe keine Bräute mehr.

Aber schaurige Begeisterungen
Weckt die Riesin in des Enkels Brust,
Sänge, die der Väter Mund gesungen,
Zeugt der Wehmut zauberische Lust,
Ferne von dem törigen Gewühle,
Von dem Stolze der Gefallenen,
Dämmern niegeahndete Gefühle
In der Seele des Begeisterten.

Hier im Schatten grauer Felsenwände,
Von des Städters Blicken unentweiht,
Knüpfe Freundschaft deutsche Biederhände,
Schwöre Liebe für die Ewigkeit,
Hier, wo Heldenschatten niederrauschen,
Traufe Vatersegen auf den Sohn,
Wo den Lieblingen die Geister lauschen,
Spreche Freiheit den Tyrannen Hohn!

Hier verweine die verschloßne Zähre,
Wer umsonst nach Menschenfreude ringt,
Wen die Krone nicht der Bardenehre,
Nicht des Liebchens Schwanenarm umschlingt,
Wer von Zweifeln ohne Rast gequälet,
Von des Irrtums peinigendem Los,
Schlummerlose Mitternächte zählet,
Komme zu genesen in der Ruhe Schoß.

Aber wer des Bruders Fehle rüget
Mit der Schlangenzunge losem Spott,
Wem für Adeltaten Gold genüget,
Sei er Sklave oder Erdengott,
Er entweihe nicht die heilge Reste,
Die der Väter stolzer Fuß betrat,
Oder walle zitternd zu der Feste,
Abzuschwören da der Schande Pfad.

Denn der Heldenkinder Herz zu stählen,
Atmet Freiheit hier und Männermut,
In der Halle weilen Väterseelen,
Sich zu freuen ob Thuiskons Blut,
Aber ha! den Spöttern und Tyrannen
Weht Entsetzen ihr Verdammerspruch,
Rache dräuend jagt er sie von dannen,
Des Gewissens fürchterlicher Fluch.

Wohl mir! daß ich süßen Ernstes scheide,
Daß die Harfe schreckenlos ertönt,
Daß ein Herz mir schlägt für Menschenfreude,
Daß die Lippe nicht der Einfalt höhnt.
Süßen Ernstes will ich wiederkehren,
Einzutrinken freien Männermut,
Bis umschimmert von den Geisterheeren
In Walhallas Schoß die Seele ruht.


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Gedichte Burg Tübingen - Hölderlin