Idylle.
An Herrn Geßner.
den Verfaßer der prosaischen Idyllen
„Sey mir gegrüßt Philint! sey mir gegrüßt!
Geseegnet sey der Tag, der dich mir schenkt.
O tugendhafter Greis, wie lange schon
Hab ich dich nicht gesehn! Das Alter hat
Seitdem dein Haupt noch mehr mit Schnee bestreut.
Komm labe dich mit mir in Schatten! Komm!
Der Weinstock winkt uns dort, dort winkt uns auch,
Der süße Feigenbaum. Erqvicke dich
An ihren Früchten, die die Jahrszeit reift!“
So sagte Cephis, als Philint einmal
In seinen Garten kam. Sie gingen hin. –
Der arme kranke Greis erquickte sich,
Und pries den Feigenbaum und seine Frucht.
Der Baum sey dein, Philint, sprach Cephis; ihn
Bedeck ich künftig nur für dich, wenn Frost
Die Erde drückt, für dich soll er hier blühn,
Und tragen süße Frucht. Allein Philint
Starb bald, ihm trug der Baum nicht süße Frucht.
Und Cephis weint um ihn, und wünscht sich arm
Zu sterben, und so fromm als er; begrub
Ihn unter seinen Baum, baut ihm ein Grab
Und pflanzte Rosen und Cypreß umher.
Er höret‘ oft seitdem beym Mondenschein,
Ein heilig Rauschen in des Baumes Laub.
Ein süß Gelispel drang vom Grab herauf,
Das ihm zu danken schien. Und Überfluß
Von Obst und Trauben wuchs ihm jährlich, denn
Der Himmel seegnet stets die Frömmigkeit.