Gedichte Byron

My task is done, my song has ceased, my theme
Has died into an echo.
„Childe Harold“

„Siebenunddreißig Trauerschüsse? Und wen haben sie gemeint?
Sind es siebenunddreißig Siege, die er abgekämpft dem Feind?
Sind es siebenunddreißig Wunden, die der Held trägt auf der Brust?
Sagt, wer ist der edle Todte, der des Lebens bunte Lust
Auf den Märkten und den Gassen überhüllt mit schwarzem Flor?
Sagt, wer ist der edle Todte, den mein Vaterland verlor?“

Keine Siege, keine Wunden meint des Donners dumpfer Hall,
Der von Missolunghi’s Mauern brüllend wogt durch Berg Thal,
Und als grause Weckerstimme rüttelt auf das starre Herz,
Das der Schlag der Trauerkunde hat betäubt mit Schreck und Schmerz:
Siebenunddreißig Jahre sind es, so die Zahl der Donner meint,
Byron, Byron, deine Jahre, welche Hellas heut‘ beweint!
Sind’s die Jahre, die du lebtest? Nein, um diese wein‘ ich nicht:
Ewig leben diese Jahre in des Ruhmes Sonnenlicht,
Auf des Liedes Adlerschwingen, die mit nimmer müdem Schlag
Durch die Bahn der Zeiten rauschen, rauschend große Seelen wach.
Nein, ich wein‘ um andre Jahre, Jahre, die du nicht gelebt,
Um die Jahre, die für Hellas du zu leben hast gestrebt.
Solche Jahre, Monde, Tage kündet mir des Donners Hall,
Welche Lieder, welche Kämpfe, welche Wunden, welchen Fall!
Einen Fall im Siegestaumel auf den Mauern von Byzanz,
Eine Krone dir zu Füßen, auf dem Haupt der Freiheit Kranz!

Edler Kämpfer, hast gekämpfet, eines jeden Kranzes werth,
Hast gekämpfet mit des Geistes doppelschneidig scharfem Schwert,
Mit des Liedes ehrner Zunge, daß von Pol zu Pol es klang,
Mit der Sonne von dem Aufgang kreisend bis zum Niedergang.
Hast gekämpfet mit dem grimmen Tiger der Tyrannenwuth,
Hast gekämpft in Lerna’s Sumpfe mit der ganzen Schlangenbrut,
Die in schwarzem Moder nistet und dem Licht ist also feind,
Daß sie Gift und Galle sprudelt, wenn ein Strahl sie je bescheint.
Hast gekämpfet für die Freiheit, für die Freiheit einer Welt,
Und für Hellas junge Freiheit, wie ein todesfroher Held.
Sahst in ahnenden Gesichtern sie auf unsren Bergen stehn,
Als im Thal noch ihre Kinder mußten an dem Joche gehn,
Hörtest schon den Lorbeer rauschen von der nahen Siegeslust,
Fühltest schon in Kampfeswonne schwellen deine große Brust!

Und als nun die Zeit erschienen, die prophetisch du geschaut,
Bist du nicht vor ihr erschrocken; wie der Bräutigam zur Braut,
Flogest du in Hellas Arme, und sie öffnete sie weit:
„Ist Tyrtäos auferstanden? Ist verwunden nun mein Leid?
Ob die Könige der Erde grollend auf mich niedersehn,
Ihre Schranzen meiner spotten, ihre Priester mich verschmähn,
Eines Sängers Kriegesflagge seh‘ ich fliegen durch das Meer;
Tanzende Delphine kreisen um des Schiffes Seiten her,
Stolz erheben sich der Wogen weiße Häupter vor dem Kiel,
Und an seinen Mast gelehnet, greift er in sein Saitenspiel.
Freiheit! singt er mir entgegen, Freiheit! tönt es ihm zurück,
Freiheit brennt in seinen Wangen, Freiheit blitzt aus seinem Blick.
Sei willkommen, Held der Leier! Sei willkommen, Lanzenheld!
Auf, Tyrtäos, auf, und führe meine Söhne mir in’s Feld!“

Also stieg er aus dem Schiffe, warf sich nieder auf das Land,
Und die Lippen drückt‘ er schweigend in des Ufers weichen Sand;
Schweigend ging er durch die Schaaren, gleich als ging‘ er ganz allein,
Welche jauchzend ihm entgegen wogten bis in’s Meer hinein.
Ach, es hat ihn wohl umschauert, als er küßte diesen Strand,
Eines Todesengels Flügel, der auf unsren Wällen stand!
Und der Held hatt‘ nicht gezittert, als er diesen Boten sah:
Schärfer faßt‘ er ihn in’s Auge: „Meinst du mich, so bin ich da!
Eine Schlacht nur laß mich kämpfen, eine siegesfrohe Schlacht,
Für die Freiheit der Hellenen, und in deine lange Nacht
Folg‘ ich deinem ersten Winke ohne Sträuben, bleicher Freund!
Habe längst der Erde Schauspiel durchgelacht und durchgeweint.“

Arger Tod, du feiger Würger, hast die Bitt‘ ihm nicht gewährt!
Hast ihn hinterrücks beschlichen, als er wetzt‘ an seinem Schwert,
Hast mit seuchenschwangerm Odem um das Haupt ihn angehaucht,
Und des Busens Lebensflammen aus dem Nacken ihm gesaugt.
Und so ist er hingesunken ohne Sturz und ohne Schlag,
Hingewelkt wie eine Eiche, die des Winters Stürme brach,
Und die eine schwüle Stunde mit Gewürmen überstreut,
Und des Waldes stolze Heldin einem Blumentode weiht.
Also ist er hingesunken in des Lebens vollem Flor,
Aufgeschürzt zu neuem Laufe harrend an der Schranken Thor,
Mit dem Blick die Bahn durchmessend, mit dem Blick am Ziele schon,
Das ihm heiß entgegen winkte mit dem grünen Siegeslohn.
Ach, er hat ihn nicht errungen! Legt ihn auf sein bleiches Haupt!
Tod, was ist dir nun gelungen? Hast den Kranz ihm nicht geraubt!
Hast ihn früher ihm gegeben, als er selbst ihn hätt‘ erfaßt!
Und der Lorbeer glänzet grüner, weil sein Antlitz ist erblaßt.

„Siebenunddreißig Trauerschüsse! Donnert, donnert durch die Welt!
Und ihr hohen Meereswogen, tragt durch euer ödes Feld
Unsrer Donner Wiederhalle fort nach seinem Vaterland,
Daß den Todten die beweinen, die den Lebenden verbannt.
Was Britannia verschuldet hat an uns mit Rat und That,
Dieser ist’s der uns die Schulden seines Volks bezahlet hat!
Über seiner Bahre reichen wir dem Britten unsre Hand:
Freies Volk, schlag‘ ein und werde Freund und Hort von uns genannt!“


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Gedichte Byron - Müller