Gedichte Mark Bozzari

Öffne deine hohen Thore, Missolunghi, Stadt der Ehren,
Wo der Helden Leichen ruhen, die uns fröhlich sterben lehren!
Öffne deine hohen Thore, öffne deine tiefen Grüste,
Auf, und streue Lorbeerreiser auf den Pfad und in die Lüfte!
Mark Bozzari’s edlen Leib bringen wir zu dir getragen,
Mark Bozzari’s! Wer darf’s wagen, solchen Helden zu beklagen?
Willst zuerst du seine Wunden oder seine Siege zählen?
Keinem Sieg wird eine Wunde, keiner Wund‘ ein Sieg hier fehlen.
Sieh auf unsern Lanzenspitzen sich die Turbanhäupter drehen!
Sieh, wie über seiner Bahre die Osmanenfahnen wehen!
Sieh, o sieh die letzten Werke, die vollbracht des Helden Rechte
In dem Feld von Karpinissi, wo sein Stahl in Blute zechte!
In der schwarzen Geisterstunde rief er unsre Schaar zusammen,
Funken sprühten unsre Augen durch die Nacht, wie Wetterflammen,
Über’s Knie zerbrachen wir jauchzend unsrer Schwerter Scheiden,
Um mit Sensen einzumähen in die feisten Türkenweiden;
Und wir drückten uns die Hände und wir strichen uns die Bärte,
Und der stampfte mit dem Fuße, und der rieb an seinem Schwerte:
Da erscholl Bozzari’s Stimme: „Auf, in’s Lager der Barbaren!
Auf, mir nach! Verirrt euch nicht, Brüder, in der Feinde Schaaren!
Sucht ihr mich, im Zelt des Pascha werdet ihr mich sicher finden –
Auf, mit Gott! Er hilft die Feinde, hilft den Tod auch überwinden!“
Auf! und die Trompete riß er hastig aus des Bläsers Händen,
Und stieß selbst hinein so hell, daß es von den Felsenwänden
Heller stets und heller mußte sich verdoppelnd wiederhallen;
Aber heller wiederhallt‘ es doch in unsern Herzen allen.
Wie des Herren Blitz und Donner aus der Wolkenburg der Nächte,
Also traf das Schwert der Freien die Tyrannen und die Knechte;
Wie die Tuba des Gerichtes wird dereinst die Sünder wecken,
Also scholl durch’s Türkenlager brausend dieser Ruf der Schrecken:
Mark Bozzari! Mark Bozzari! Sulioten! Sulioten!
Solch ein guter Morgengruß ward den Schläfern da entboten.
Und sie rüttelten sich auf, und gleich hirtenlosen Schafen
Rannten sie durch alle Gassen, bis sie an einander trafen,
Und bethört von Todesengeln, die durch ihre Schwärme gingen,
Brüder sich in blinder Wuth stürzten in der Brüder Klingen.
Frag‘ die Nacht nach unsern Thaten! Sie hat uns im Kampf gesehen –
Aber wird der Tag es glauben, was in dieser Nacht geschehen?
Hundert Griechen, tausend Türken, also war die Saat zu schauen
Auf dem Feld von Karpinissi, als das Licht begann zu grauen.
Mark Bozzari, Mark Bozzari, und dich haben wir gefunden,
Kenntlich nur an deinem Schwerte, kenntlich nur an deinen Wunden.
An den Wunden, die du schlugest, und an denen, die dich trafen,
Wie du es verheißen hattest, in dem Zelt des Pascha schlafen.

Öffne deine hohen Thore, Missolunghi, Stadt der Ehren,
Wo der Helden Leichen ruhen, die uns fröhlich sterben lehren!
Öffne deine tiefen Grüfte, daß wir in den heil’gen Stätten,
Neben Helden unsern Helden zu dem langen Schlafe betten!
Schlafe bei dem deutschen Grafen, Grafen Normann, Fels der Ehren,
Bis die Stimmen des Gerichtes alle Gräber werden leeren.


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Gedichte Mark Bozzari - Müller