Gedichte Abschied von Rom

1827

Wer vorbeiziehn darf an dem Appischen Weg, südwärts gewandt,
Wem aus des Sumpflands Wiese der magischen Göttin
Vorgebürg ragt, (welche dereinst dem Odysseus reichte den Becher, indem sie
Süßen Gesang an dem Webstuhl sanft erhob)
Nenne beglückt sich, er hat
Die umwölkt schwermütige
Fieberluft Roms hinter sich!

Frommt der Sehnsucht langeverschollener Tat lebloser Hauch?
Frommt jenes urzeitkundigen Mannes Bericht uns,
Der erzählt, hier wurde geraubt ein Gespann Pflugstiere dem Sohne des Zeus, dort
Legte den ewigen Grundstein Romulus,
Hier am Egerischen Quell,
Wo ein Hain sonst rauschte, trank
Numa Weisheit, frommt es uns?

Wüstenein bloß blieben und Trümmer. Erspähn mag, zeigen mag
Neugier den Unheilsort, wo der blutende Cäsar
Lag, des Orts Bildsäule sogar, wo er fiel, Bildsäule des göttlichen Feldherrn,
Der, in Pharsalus entmannt, durch Tempes Tal
Floh, das elysische Tal,
Wo des Stromgotts Urne längs
Grüner Aun Goldfluten gießt.

Doch ein Fahrzeug segelte bald in des Mordstrands Hafen ihn:
Nicht ohne Gram, nicht ohne die Träne der Wehmut,
Sah des Todfeinds Leiche der Sieger, gedenk ehmaliger Tage der Freundschaft,
Oder beweinend im Geist Roms Los, er selbst
Römer, der Frevelnde, der
Es gestürzt. Zeitläufte flohn,
Aber Rom sank, sank und sinkt.

Zwar es fällt langsam, wie das Dauernde fällt, großartigem Mannsinne gleich,
Der Sphärengesänge des Wohllauts
Jener Welt – zuführt dem ermüdenden Werktagsleben und Schwärmer gehöhnt wird,
Während allein er das All klardenkend wägt;
Doch der Beladene beugt
In den Staub allmählich sein
Sinnend Haupt leidvoll hinab.

Also Rom. Nichts frommte der üppige Prunk blutgieriger
Selbstherrscher ihm. Neusprossende Palme des Glaubens,
Die du bloß tiefsinnige Schatten umherwarfst über die Male der Vorzeit,
Retteten Glanz und des Pomps Scheinkünste dich?
Möge die Schulter des Volks
Den Juwelstuhl tragen, der
Deines Gotts Statthalter trägt!

Aus dem Prachtschutt Roms den korinthischen Knauf, ja, Säulenreihn
Wegführend stützt, Raubsucht zu verewigen, sinnlos
Dein Levit Bethäuser in düsterer Form, Unschönes und Schönes in Einklang
Zwingend umsonst. Es erhebt Sankt Peter sein
Kuppelerhabenes Dach:
Den Titansbau stört indes
Wittenbergs stahlharter Mönch.

Nun verlor dein Schlüssel, Apostelgewaltherrschaft, die Gunst,
Er, der der Weltstadt Segen erteilt und dem Weltkreis:
Nur Erinnrung blieb. Sie entriß die Heroen altheidnischer Sage dem Erdschutt:
Blutend verhaucht der Athlet siegswerte Kraft,
Pfeile versendet der Gott
Des Gesangs, Wehmut erweckt
Hadrians bildschöner Freund. –

Als an Josephs Brust das Sirenengeschoß abprallen sah
Dein Kirchenhaupt, andächtiges Rom, und der sechste
Pius demutsreich von dem Kaiserbesuch heimzog, der erhabene Pilgrim,
Während entschlüpfte der Obmacht Zepter ihm,
Schuf er die neue Gewalt,
Und es ward dein Zauberstab
Ihm ein Feldherrnstab, o Kunst!

Steigen läßt sein Wort Obelisken empor, Golddecken wölbt,
Prunkwände zieht, ausbreitet das schöne Musivwerk
Sein Geheiß, euch würdige Sitze zu weihn, Denkmäler! (O hätt er gefunden
Mildere Schickungen! Frankreichs Kerkerluft
Atmete sterbend er aus:
Es verließ gramschwer der Greis
Deinen Festraum, Vatikan!)

Doch den Anblick trübt des verschwendeten Bildwerks Übermaß,
Unruhe schwankt zaghaft, wie die Seele der Jungfrau
Aus der Schar anmutiger Freier den anmutsvollsten zu wählen umherschwankt:
Übergenüssen erliegt oftmals der Geist.
Nicht das Vergangene frommt,
Da der Bildkraft Schüler selbst
Nicht die Kunst lernt durch die Kunst.

Hörst du gern Rat an, so beginne zuerst Einfaches bloß:
Vollkommenheit treibt Früchte hervor an erprobten
Stämmen, Freund! Nicht wolle zu frühe der Griechheit huldigen! Wächserne Federn
Klebt an den Nacken des Flugs Nachahmer bloß;
Aber es blühn in des Lichts
Region Sternbilder Ihm,
Den die Schwungkraft oben hält.

Manchen Geist zwar schafft die beseelte Natur, der Griechenlands
Bloß noch dem Stumpfsinn hieroglyphische Schönheit
Kennt und hold ausbildet unsterbliche Form. Aufweckt an dem rosenumhauchten
Silbergeplätscher des Bergquells wieder er
Alten, olympischen Tanz:
So erschuf Thorwaldsen aus
Götterdämmrung Tageslicht.

Aber dies Lied gleicht dem verirrenden Weidmann; Nachtigall-
Ton lockt hinweg sein Herz von des Wildes Verfolgung:
Ohne Pfad schweift rings in Gebüsch, in Gefild, Laubwälder und Felsen entlang er;
Endlich verscheucht der Gebirgsschlucht Wasserfall
Jeden Gesang und den Traum
Des Gemüts ihm. Wieder sucht
Seinen Jagdweg Jener auf.

Selig, wem Tatkraft und behaglichen Sinn leiht Gegenwart,
Wer neu sich selbst fühlt, Neues zu bilden bedacht ist,
Wem das Dasein ewig erscheint, und der Tod selbst eine Despotenerfindung,
Deren Gedanke des Glücks Pulsschläge hemmt:
Gerne verläßt er und froh,
Kapitol, dein Schattenreich,
Eure Pracht, Kirchhöfe Roms!

Lenz des Erdballs! Parthenopäische Flur! Stets neue Stadt!
Aufnimm den Freund, geuß rauschende Buchten umher ihm,
Denen einst (urweltliche Fabel erzählt’s) wollüstig entstiegen die Schönheit,
Myrten der Küste, des Flutschaums Blum im Haar;
Aber es reichte, sobald
Sie ans Land stieg, Bacchus auch
Seines Weinlaubs Thyrsus ihr!

Mir zum Beistand naht des quirinischen Weltruhms Dichter selbst:
Aus Griechenland heimkehrend ereilte der Tod ihn;
Doch es deckt kein römischer Hügel des Frühwegsterbenden Staub in der Urne:
Meinen Gebeinen, befahl sein letzter Wunsch,
Werde Neapel Asyl,
Wo in Fruchthainlauben ich
Hirten, Feldbau, Helden sang.


1 Star2 Stars3 Stars4 Stars5 Stars (2 votes, average: 5,00 out of 5)

Gedichte Abschied von Rom - Platen