Aus einem Heldengedichte
Schon kehren die Vianer in die Stadt,
Gehoben wird die Brück, das Tor verwahrt.
Als Kaiser Karl es sieht, sein Blut aufwallt,
Lautauf er schreit, von wildem Zorn entbrannt:
„Wohlan zum Sturme, wackre Ritterschaft!
Wer jetzt mir fehlt, was er zu Lehen hat,
Hab er in Frankreich Bergschloß oder Stadt,
Turm oder Veste, Flecken oder Mark,
Es wird ihm all dem Boden gleichgemacht.“
Auf solche Worte kommen all heran,
Die Schildner dringen auf die Mauern dar,
Mit Hammer schlagend und gestähltem Schaft.
Die von Viane steigen maueran,
Da werfen Stein‘ und Scheiter sie herab,
Und mehr als sechzig werden da gemalmt
Der Jünglinge vom schönen Frankenland.
„Herr Kaiser!“ spricht der Herzog Naims im Bart,
„Wollt Ihr die Stadt gewinnen mit Gewalt,
Die hohen Mauern mit den Zinnen stark,
Die festen Türme, manch Jahrhundert alt,
So Heiden einst erbaut mit großer Kraft:
In Eurem Leben wird es nicht vollbracht.
Drum sendet eh zurück nach Frankenland,
Daß Zimmerleute werden hergeschafft!
Und sind sie angekommen vor der Stadt,
So laßt sie bauen Rüstzeug mancher Art,
Davon die Mauern stürzen!“
Der Kaiser hört es, mächtig er ergrimmet.
„Monjoie!“ ruft er aus mit lauter Stimme,
„Was zögert ihr, ihr meine kühnen Ritter!“
Von neuem da der wilde Sturm beginnet,
Sie werfen, schleudern in gewalt’gem Grimme.
Und sieh! schön Alda dort, die Minnigliche!
Mit reichem Mantel war sie wohl gezieret,
Der mit Goldfaden meisterlich gesticket;
Die Augen blau und blühend das Gesichte.
Sie trat auf der gewalt’gen Veste Zinnen.
Als sie den Sturm, das wilde Toben siehet,
Da bückt sie sich, ’nen Stein hat sie ergriffen,
Auf eines Gascons Helm wirft sie ihn nieder,
Daß sie den ganzen Zirkel ihm zerspittert,
Es fehlte wenig, wär er tot geblieben.
Roland ersah es mit dem kühnen Blicke,
Der edle Graf, er rief mit lauter Stimme:
„Von dieser Seite, bei dem Sohn Mariens!
Wird man die Veste nimmermehr gewinnen,
Denn gegen Damen stürm ich nun und nimmer.“
Er ließ nicht länger, daß er nicht ihr riefe:
„Wer seid Ihr doch, o Jungfrau, Minnigliche?
Wenn ich Euch frage, nehmt’s in gutem Sinne!
Ich frag es nicht um irgend Unglimpfs willen.“
„Herr!“ sagte sie, „es bleib Euch unverschwiegen!
Die mich erzogen, Alda sie mich hießen,
Die Tochter Rainers, welchem Genua pflichtet,
Die Schwester Olivers mit kühnem Blicke,
Gerhards, des mächtigen Gebieters, Nichte;
Mein Stamm, er ist erlaucht und hochgebietend.
Bis heute bin ich ohne Herrn geblieben
Und werd es bleiben, bei dem Sohn Mariens!
Es wäre denn mit Herzog Gerhards Willen
Und Olivers, den Rittertugend zieret.“
Da sprach Roland für sich mit leiser Stimme:
„Es tut mir leid, beim ew’gen Sohn Mariens!
Daß Ihr Euch nicht in meiner Haft befindet.
Doch soll es noch geschehn nach Gottes Willen
Durch jenen Kampf, zu welchem mich beschieden
Oliver, der Genueser.“
So sprach schön Alda, die Verständige:
„Herr Ritter! nun ich hab Euch nicht verhehlt,
Was Ihr von mir erforschet und begehrt,
Nun sagt hinwider mir, so Euch gefällt,
Von wann Ihr seid und welches Eur Geschlecht!
Es steht Euch wohl der Schild, mit Banden fest,
Und jenes Schwert, das Euch zur Seite hängt,
Und jene Lanze, dran das Fähnlein weht,
Und unter Euch das apfelgraue Pferd,
Das schnell wie ein beschwingter Pfeil hinrennt.
Ihr drängtet heute mächtig unser Heer,
Vor allen andern scheinet Ihr ein Held.
Nun glaub ich wohl, wie mir’s in Sinnen steht,
Daß Eure Freundin hohe Schönheit trägt.“
Roland vernahm es, und er lachte hell.
„Ja, Dame!“ sprach er, „wahr ist, was Ihr sprecht,
In Christenlanden keine Gleiche lebt
Noch sonsten, daß ich wüßte.“
Als Roland höret, daß sie also spricht,
Entdeckt er ihr sein ganzes Herze nicht,
Doch allerwegen gut er sie beschied:
„Jungfrau! nach Wahrheit geb ich Euch Bericht:
Roland benennen meine Freunde mich.“
Schön Alda hört‘ es, wohl ihr das gefiel:
„Seid Ihr der Roland, welcher, wie man spricht,
Mit meinem Bruder sich zum Kampf beschied,
Noch wißt Ihr wenig, wie so kühn er ist.
Und habt Ihr Kampf beschlossen gegen ihn,
Auf Treue sag ich Euch, es kränket mich,
Weil man für meinen Freund Euch halten will,
Wie mir zu Ohren kam von dort und hie.
Bei jener Treu, womit Ihr Karlen dient!
Wär ich nicht gestern Eurer Haft entwischt,
Erbarmen nicht, noch Gnade hättet Ihr,
Daß zu den Meinen Ihr mich wieder ließt.“
Roland vernahm es wohl, antwortet‘ ihr:
„Ich bitt in Liebe, spottet meiner nicht!“ –
Der Kaiser rief den Grafen von Berri:
„Herr Lambert! gebt mir redlichen Bericht:
Wer ist die Dam‘ auf jener alten Zinn,
Die mit dem Roland spricht und er mit ihr?“
„Bei meiner Treue!“ Lambert ihn beschied,
„Schön Alda ist’s, das edle Frauenbild,
Rainers von Genua, des Tapfern, Kind.
Der Lombard soll sie führen nach Roin.“
„Das wird er nicht“, versetzt der Kaiser ihm,
„Roland hat selbst auf sie gestellt den Sinn.
Eh stürben hundert Mann, in Stahl gestrickt,
Bevor der Lombard Alden führte hin.“
So sprach der Kaiser, Roland aber schied
Von Alden, die auf hoher Mauer blieb.
Der König sieht ihn, neckt ein wenig ihn:
„Traut Neffe!“ spricht er, „was ist Euer Sinn
Gegen die Maid, mit der Ihr sprachet hie?
Wenn irgend Zorn Ihr heget gegen sie:
In Liebe bitt ich Euch, verzeihet ihr!“
Roland vernahm’s, sein Blut empörte sich
Aus Scham vor seinem Öhme.
„Traut Neffe mein!“ sprach Karl, der starke Held,
„Ob jener Maid, mit welcher Ihr gered’t,
Habt Ihr zu lang verweilet an der Stell.
Denn aus der Stadt brach Oliver indes,
Und mit ihm hundert Ritter, wohl bewehrt;
Sie haben überfallen Euer Heer,
Der Unsern zwanzigen das Haupt gespellt
Und ihrer viel gefangen weggeschleppt.
Die Jungfrau Alda wußt es wohl vorher,
Sie hat Euch nur gehöhnet und geneckt.“
Roland vernahm’s, schier kam von Sinnen er,
Von wildem Grimm das Angesicht ihm brennt.
Als nun der Kaiser Rolands Zorn ersehn,
Da tät er gütlich ihn beschwichtigen:
„Traut Neffe!“ sprach er, „zürnet nicht so sehr
Ob jener Maid, mit welcher Ihr gered’t,
Ziehn wir zurück zu Hütten und Gezelt,
Und ihr zuliebe nimmt der Sturm ein End.“
Roland versetzte: „So wie Ihr befehlt!“
Ein Horn erscholl, es wandte sich das Heer
Zurück zu den Gezelten.