1.
Hell erklingen die Trommeten
Vor Sankt Stephan von Gormas,
Wo Fernandes von Kastilien
Lager hält, der tapfre Graf.
Almansor, der Mohrenkönig,
Kommt mit großer Heeresmacht
Von Kordova hergezogen,
Zu erstürmen jene Stadt.
Schon gewappnet sitzt zu Pferde
Die kastil’sche Ritterschar;
Forschend reitet durch die Reihen
Fernandes, der tapfre Graf:
„Paskal Vivas! Paskal Vivas!
Preis kastil’scher Ritterschaft!
Alle Ritter sind gerüstet,
Du nur fehlest auf dem Platz.
Du, der erste sonst zu Rosse,
Sonst der erste zu der Schlacht,
Hörst du heute nicht mein Rufen,
Nicht der Schlachttrommeten Klang?
Fehlest du dem Christenheere
Heut, an diesem heißen Tag?
Soll dein Ehrenkranz verwelken,
Schwinden deines Ruhmes Glanz?“
Paskal Vivas kann nicht hören,
Fern ist er im tiefen Wald,
Wo auf einem grünen Hügel
Sankt Georgs Kapelle ragt.
An der Pforte steht sein Roß,
Lehnet Speer und Stahlgewand,
Und der Ritter knieet betend
Vor dem heiligen Altar;
Ist in Andacht ganz versunken,
Höret nicht den Lärm der Schlacht,
Der nur dumpf wie Windestosen
Durch das Waldgebirge hallt;
Hört nicht seines Rosses Wiehern,
Seiner Waffen dumpfen Klang.
Doch es wachet sein Patron,
Sankt Georg, der Treue, wacht;
Aus der Wolke steigt er nieder,
Legt des Ritters Waffen an,
Setzt sich auf das Pferd des Ritters,
Fleugt hinunter in die Schlacht.
Keiner hat wie er gestürmet,
Held des Himmels, Wetterstrahl;
Er gewinnt Almansors Fahne,
Und es flieht die Mohrenschar.
Paskal Vivas hat beschlossen
Seine Andacht am Altar,
Tritt aus Sankt Georgs Kapelle,
Findet Roß und Stahlgewand;
Reitet sinnend nach dem Lager,
Weiß nicht, was es heißen mag,
Daß Trommeten ihn begrüßen
Und der festliche Gesang:
„Paskal Vivas! Paskal Vivas!
Stolz kastil’scher Ritterschaft!
Sei gepriesen, hoher Sieger,
Der Almansors Fahne nahm!
Wie sind deine Waffen blutig,
Wie zermalmt von Stoß und Schlag!
Wie bedeckt dein Roß mit Wunden,
Das so mutig eingerannt!“
Paskal Vivas wehrt vergebens
Ihrem Jubel und Gesang,
Neiget demutsvoll sein Haupt,
Deutet schweigend himmelan.
2.
In den abendlichen Gärten
Ging die Gräfin Julia.
Fatiman, Almansors Neffe,
Hat die Schöne dort erhascht;
Flieht mit seiner süßen Beute
Durch die Wälder Nacht und Tag,
Zehn getreue Mohrenritter
Folgen ihm gewappnet nach.
In des dritten Morgens Frühe
Kommen sie in jenen Wald,
Wo auf einem grünen Hügel
Sankt Georgs Kapelle ragt.
Schon von weitem blickt die Gräfin
Nach des Heil’gen Bild hinan,
Welches ob der Kirchenpforte,
Groß in Stein gehauen, prangt:
Wie er in des Lindwurms Rachen
Mächtig sticht den heil’gen Schaft,
Während, an den Fels gebunden,
Bang die Königstochter harrt.
Weinend und die Hände ringend
Ruft die Gräfin Julia:
„Sankt Georg, du heil’ger Streiter,
Hilf mir aus des Drachen Macht!“
Siehe! wer auf weißem Rosse
Sprengt von der Kapell herab?
Goldne Locken wehn im Winde,
Und der rote Mantel wallt.
Mächtig ist sein Speer geschwungen,
Trifft den Räuber Fatiman,
Der sich gleich am Boden krümmet,
Wie der Lindwurm einst getan.
Und die zehen Mohrenritter
Hat ein wilder Schreck gefaßt;
Schild und Lanze weggeworfen,
Fliehn sie über Berg und Tal.
Auf den Knieen, wie geblendet,
Liegt die Gräfin Julia:
„Sankt Georg, du heil’ger Streiter,
Sei gepriesen tausendmal!“
Als sie wieder hebt die Augen,
Ist der Heil’ge nicht mehr da,
Und es geht nur dumpfe Sage,
Daß es Paskal Vivas war.