Ein Gegenstück zu Virgils Pollio
Sing höheren Gesang, o ländliche Kamöne.
Nicht jeder liebt die Flur und sanfte Flötentöne.
Ein Lied, des Junkers wert, ein Lied voll Saft und Mark,
Ein edles Waldhornstück durchschmettere den Park.
Horch! von dem Schindelturm summt schwellend durch die Himmel
Zu Stadt und Dörfern rings ein feierlich Gebimmel.
Horch! zwölffach ruft vom Hof metallner Böller Knall
Und geltendes Juchhein dem fernen Widerhall.
Unruhig fragt das Dorf, was doch der Lärm bedeutet,
Warum so rasch aufs Schloß der Adel fährt und reitet.
Freud über Freud! ertönt’s; der Storch hat diese Nacht
Für unsers Junkers Frau ein Jünkerchen gebracht!
Traur‘, armes Waldgeschlecht! Ihr Rehe, Schwein‘ und Hirsche,
Trau’rt rudelweis; euch droht die mörderlichste Birsche!
O Has und Häsin, trau’rt! Ein schrecklich Kind erwuchs!
Vor seinem Rohr entrinnt kein Otter und kein Fuchs!
Umschreit, ihr Vögelschwärm‘, und hackt mit Klau und Schnabel
Ihn, der euch Mord gebracht, den Unglücksstorch der Fabel!
Euch schützt vor Beiz und Schuß kein Schluf des Moors und Walds;
Dich, Trappe, nicht der Flug, dich, Birkhahn, nicht die Balz!
Noch harmlos ruht und fromm der sanftgewiegte Junker:
Sein Wappen ziert die Deck, im Glanz der goldnen Klunker;
Es wehrt dem Ungetüm der Basen Kreuz und Spruch;
Die Nichten sehn das Bild des Vaters Zug vor Zug.
Der Vettern Waidgelag stößt an mit vollem Glase;
Rheinwein und englisch Bier bepurpert jede Nase.
Windspiel und Dogg und Brack und Dachs – und Hühnerhund
Hüpft wedelnd um die Wieg, und leckt ihm Hand und Mund.
Unsichtbar überschwebt das Dach der wilde Jäger
Auf trübem Nebelgaul, und wird des Kindleins Pfleger.
Bald horcht’s, und lächelt still, auf Hifthorn und Geblaff,
Zielt an der Amme Brust, und lallt: Aport und Paff!
Bald lernt es namentlich der Hunde Trupp zu locken;
Mit hölzernem Gewehr, Wildpret und Jägerdocken
Spielt’s Jagd; und selbst der Mund des gütigen Papas
Pfeift ihm dazu ein Stück auf seinem Pulvermaß.
Wohl dir, holdselig Kind! Dir sprießet Gerst und Hopfen
Auf väterlicher Flur, zu braunen Balsamtropfen;
Dir trägt die Biene Met zu starker Morgenkost;
Aus eignem Garten quillt würzhafter Apfelmost!
Wann, als Husar, der Knab ein Steckenpferdchen tummelt,
Den kleinen Tiras schlägt, und auf der Trommel rummelt;
Behaglich hört er dann vom Oheim und Papa
Gar manchen Jugendschwank, und atmet staunend Ah!
Selbst führt der Vater ihn durchs große Tafelzimmer,
Und zeigt rings an der Wand der Wappen bunte Schimmer,
In Stahl und Knebelbart der Ahnenbilder Reih,
Und über jedem Bild ein stattlich Hirschgeweih.
Schau, ruft er, Junker Kord, schau jenen Sechzehnender!
Den schoß ich dir als Bursch für unsern Bratenwender!
Noch seh ich, wie voll Angst durch Heid und Bach er lechzt,
Mit Schweiß die Fährte färbt, und hin sein Leben ächzt!
Als Bursch erlegt‘ ich auch, ohn einen Schuß der Büchse,
Mit bloßem Peitschenhieb, den schlauesten der Füchse!
Wie Donnerwetter ging’s! Mir stürzten in den Sand
Drei Klepper: dennoch ward der Bau ihm kurz verrannt!
Wie aber sprang mit mir der Wallach über Hecken
Und Zäun‘ und Graben hin! Wie bäumt‘ er wild vor Schrecken,
Als ich den Werwolf mit geerbtem Silber schoß,
Und schnell ein altes Weib aus Lumpen Blut vergoß!
Was weinst du, zärtlichste der Mütter? Trotz den Tränchen,
Lernt Schreib – und Lesekunst, vier Stunden tags, dein Söhnchen.
Doch ist sein Kandidat nicht unnütz ganz und gar:
Er tanzt und ficht mit Kord, und kräuselt ihm das Haar.
Auch weiß der Mensch, ein Wust von Wissenschaften ziere
Nur Bürgervolk zur Not, doch schänd er Kavaliere.
Was macht ein junger Herr mit Griechisch und Latein?
Sollt‘ er der klügste Sproß des alten Stammbaums sein?
Eh noch sein flaumig Kinn der Diener eingeseifet,
Wird er ein voller Kerl, im Jägerkrug gereifet,
Spielt deutsches Solo, schnapst, schiebt Kegel, schmaucht Tabak,
Und leert auf einen Zug sein Reifglas Kniesenak.
Beherzt nun schäkert er um Gouvernant und Zofe,
Nicht knabenhaft, und bald um jede Magd im Hofe.
Doch hält ihn Lenens Reiz, hochstämmig, rot von Mund,
Mit derbem Backenpaar, von Brust und Hüfte rund.
Heuboden, Garten, Wald, ihr wißt, warum die Schürze
Sich so zur Ungebühr dem armen Lenchen kürze.
Sei lustig, gutes Ding! Zwar keift die gnäd’ge Frau,
Zwar stehst du büßend bald im Kirchengang zur Schau;
Allein was achtest du des Zischelns und des Hohnes?
Die Herrschaft ingeheim freut sich des wackern Sohnes;
Auch nimmt der Kandidat voll Untertänigkeit
In deiner Schürz einmal die Pfarre hocherfreut.
O Kord, zum zwanzigsten Geburtstag nun erwachsen,
Des jungen Adels Kron im Doppelreich der Sachsen,
Verherrlichst du den Glanz des nahen Hofs, und wirst
Jagdjunker, dreist und keck. Verdienste lohnt der Fürst.
In silberhellem Grün, mit reger Hunde Koppeln,
Trabst du zur Martinsjagd durch Auen, Forst‘ und Stoppeln.
Wie hallt Gebell und Horn! wie schnaufen Roß und Mann!
Wie scheucht der Dörfer Volk das Wild bergab bergan!
Doch hebt sein adlich Herz auch mildere Bewegung:
Er schirmt mit List und Mut verrufnes Wildes Hegung,
Wenngleich der Bauer laut zum Landesvater klagt.
Zur Strafe wird dem Schelm sein Brotkornfeld zerjagt.
Ihm huldigten fürwahr Vestalinnen und Nonnen,
Durch liebenswürdige Zudringlichkeit gewonnen.
Zwar Weiber kosten viel, und der Papa ist knapp;
Doch mahne Jud und Christ! er lacht, und handelt ab.
Zur Wette spornt er einst den feurigen Polacken,
Sprengt tollkühn übers Heck, und stürzet. Weh! es knacken
Zwei Rippen ihm morsch ab! Möcht er gerettet sein!
Er ist’s! um bald als Herr sein Völkchen zu erfreun.
Seht da! Frau Lenens Mann, der Ausbund der Pastöre,
Kommt sporenstreichs vom Gut auf der bespritzten Mähre:
„Ihr Vater, Herr Baron!“ – Ist endlich abgeschurrt?
„Am Schlag!“ – Nun, gute Nacht! So hat er ausgeknurrt.
Leibeigne, jung und alt, mit Jubel und mit Segen
Hüpft eurem Herrn mit Spiel und Sensenklang entgegen!
Der wird voll Eifers sich erbarmen eurer Mühn,
Und eure Kinder fromm und wirtschaftlich erziehn!
Streut Blumen auf den Weg, singt, Mädchen, singet munter,
Und schlagt die Hark im Takt! Er winkt vom Hengst herunter
Euch Küsse! Jäger, blast! Ihr Hund‘, erhebt das Maul,
Und grüßt mit festlichem, vielstimmigem Gejaul!
Die ganze Bauerschaft mit aufgeregten Ohren
Schwört Ihm, des gnädigen Barons Hochwohlgeboren,
Erb – und Gerichtesherrn der alten Baronei,
Nach vorgelesner Schrift des Fronvogts, Pflicht und Treu.
Bankett und Ball empfängt die Adlichen der Gegend,
Mit Prunk und Völlerei die groben Sinne pflegend.
Im Kreis der Spötter sitzt der muntre Schwarzrock auch,
Antwortet bibelfest, und sättiget den Bauch.
Jauchzt, froher Ahndung voll, jauchzt, Untertan und Pächter!
Stimmt ins Gekreisch, ins laut aufschallende Gelächter
Der Damen und der Herrn! Vom Jägerchor wird jetzt
Ein matter Fuchs geprellt, ein Marder totgehetzt!
Schon herrscht er ritterlich, uralter Straßenräuber
Unausgeartet Kind, ein stolzer Menschentreiber!
Sein Prachtschloß überschaut nur Hütten rings von Stroh;
In weiter Segensflur ist er, der eine, froh!
Ihm wird durch Fron und Zwang geerntet und gebuttert,
Und, fast dem Zugvieh gleich, sein Menschenvieh gefuttert.
Fällt einst ein Mißjahr ein; er lau’rt, und schüttet auf:
Je dürftiger der Mann, je wuchrischer der Kauf.
Von Brennen und von Braun, von Handwerk und Gewerbe,
Strotzt sein freiherrlich Gut, ob nahrlos auch ersterbe
Die hartbeschatzte Stadt: er schützt in alter Kraft
Freiheit von Zoll und Schoß, als Recht der Ritterschaft.
Der Bau’r und Bürger wird Canaill‘ und Pack betitelt,
Und seinem Anwachs früh die Menschheit ausgeknittelt:
Schulmeister, spricht er, macht die Buben nicht zu klug!
Ein wenig Christentum und Lesen ist genug!
Beim Pfeifchen schwatzt mit ihm von Korn – und Pferdeschacher
Sein Pfäfflein, und beseufzt der neuen Büchermacher
Gottlosigkeit. Verdammt zum Galgen und zum Rad
Wird dann durch beider Spruch Freigeist und Demokrat!
Der welken Stadtmamsell abtrünnig, wählt er endlich
Ein Fräulein sich zur Dam‘, halb höfisch und halb ländlich.
Bald seht ihr junge Zucht, dem edlen Vater gleich;
Spielt nicht des Kutschers Tück ihm einen Kuckucksstreich.