1801
Wir haben den Knaben ins Grab gelegt.
Wie der Schelm sich lustig bewegt!
Wie er strebet mit Händen und Füßen!
Will mit Gewalt hinein in den süßen
Taumel, der um ihn summt und schwirrt.
Wie ihm das Auge lebendig wird!
Läßt es in der Entzückung schweifen
In des Lichts unermeßlichem Blau,
Mögte alles so gern genau
Mit den Fingern und Augen greifen,
Mögte in das fröhliche Leben
Mit den Schwalben und Bienen schweben,
Mögte sich stürzen nimmer satt
In der Welten unendliches Bad.
Kleiner Unschuldiger, halte still!
Dein Geschlecht kann nicht, wie es will.
O wie schimmert dir, süßer Knabe,
In dem Blick die gefährliche Gabe,
Alles zu fassen mit inniger Lust,
Alles zu ziehen in die Brust!
Wirst den unendlichen Durst nicht stillen,
Wirst die unendliche Brust nicht füllen.
Spiele denn die fröhliche Zeit,
Ehe der Winter die Blumen verschneit,
Ehe die süße Nachtigall schweigt
Und der Sommer Gewitter zeugt.
O wie wird’s dann dem Busen so enge!
Wie wird so heiß aus dem Weg das Gedränge!
Ein stetes Fluchen und Stoßen und Treiben –
Kannst nicht fliehen und kannst nicht bleiben:
Darfst nicht lieben und sollst nicht hassen:
Wo soll das geängstete Herz sich lassen?
Flehend suchet das Aug umher,
Wie der Wehrlose nach dem Speer,
Sehnst dich heraus aus dem wilden Getümmel
Unter der Kindheit freundlichen Himmel,
Zu dem Steckenpferde, zum Ball,
Wünschest, daß in der stillen Erde,
Ferne von Sonne und Vogelschall,
Dir die Ruhe gegraben werde.
Wir haben den Knaben gesetzt auf die Bühne,
Worauf er künftig spielen soll.
Es gehe dem Unschuldigen wohl!
Wir vertrauen ihn dir, Erde du grüne,
Dir, leuchtender Himmel, liebevoll.
Wollet ihm kindlich das Herz bewahren
In der Verschuldung bösen Jahren!
Wollet ihn machen liebereich!
So bleibt die Brust ihm fromm und weich.
Großes Schicksal, das mächtig waltet
Und das Leben verborgen gestaltet,
Nimm die lächelnde Unschuld hin!
Gesund ist sein Leib, gesund sein Sinn,
Ist in süßer Liebe geboren,
Laßt ihn freundlich führen die Horen!