Gedichte Gärtnerlied im Liedergarten der Liebe

Du dauerst mich Seele!
Der so hat gesungen
Die lieblichste Kehle,
Die süß’ste der Zungen.
Wie kannst du noch leben,
Noch andere Lippen
Mit Küssen umschweben?
Ich ging in den Klippen
Berauschet zu Grund,
Hätt je mich so innig,
So innig und sinnig
Der blühende Mund
Der Lieder-Sirene
Begrüßet im Bund.
Ein Liebender bin ich
Und weih eine Träne
Dir, nüchterne Seele,
Dir hat Philomele
In Liedern gerungen,
Mich hat sie bezwungen,
Den Garten der Wonne
Der andern zu bauen,
O süßes Vertrauen!
Ich lenke die Bronnen,
Die trunken verronnen,
Daß frisch sie betauen
Die Blumen, die Lichter,
Die Sterne, die Strahlen,
Die Farben der Dichter,
Um Liebe zu malen,
O seliges Dienen!
Dem Herzen, dem armen
Ist’s süß, zu erwarmen
So sonnenbeschienen
Vom Himmel der Augen
Ist’s süß, um die schwülen
Gefühle zu kühlen,
Die tötenden Gluten
In hüpfende Fluten
Der Lieder zu tauchen,
Worin sie die Schmerzen,
Die Feuer aushauchen
Vom liebenden Herzen
Ergoß und erkühlte,
Bis Friede sie fühlte.
O Gluten durchwühlt mich,
In denen sie wühlte,
O Fluten umkühlt mich,
In denen sie kühlte,
O Wellen umspielt mich,
In denen sie spielte,
O Blüten umblüht mich,
In denen sie blühte,
O Lieder durchglüht mich,
In denen sie glühte,
O stammelnde Lieder
Voll Wahrheit und Güte,
Mit feurigem Hauche,
Mit Tränen im Auge,
Klingt wieder, klingt wieder,
Mein sind eure Leiden,
Das Ringen, das Zagen,
Das Scheiden, das Meiden,
Das bittre Entsagen.
Weint nieder, weint nieder,
Ihr stammelnden Lieder.
Euch liebt sie, euch schrieb sie,
Ich lieb euch, ich lieb sie,
Doch sie liebt nicht wieder,
Ihr sehnenden Lieder!
Süß ist, eure schlanken
Verlangenden Ranken
Mit Zier auf und nieder
Zu schlingen, zu winden,
In Lauben zu binden;
Und muß hin und wieder
Ein Reblein ich schneiden,
Muß gleich ich mit leiden,
Die Wunden, sie weinen,
Da muß ich mich sehnen,
O liebliche Lieder!
Es sind eure Tränen
Auch immer die meinen,
So such ich und finde
Die süßen Gedanken
Und binde und winde
Sie träumend in Schranken.
Und irre die Pfade
Der Luftlabyrinthe
Bis hin zum Gestade,
Wo unter der Linde
Die dichtende Gnade
Dem liebenden Kinde
Im geistigen Bade
So leuchtend, so linde
Erkühlet die Glut,
O selige Flut,
O trunkener Spiegel
Der schimmernden Glieder,
Du küßtest das Siegel
Der lieblichen Lieder,
Wie war dir zu Mut?
Und wie ich so sehne,
Da lockt die Sirene;
Komm nieder, komm nieder,
Hier hat sie geruht,
Hier duftet der Flieder,
Hier ist es so gut,
Hier löst sie das Mieder
Und taucht in die Flut
Das Wonnegefieder
Der Phönix; ihr Blut
Hat hier in den Wogen
Gebadet die Triebe
Und ist dann geflogen
Durch Feuer und Glut,
Und hat seine Liebe,
Die rot war, verglühet,
Bis weiß sie erblühet
In heiligem Licht,
So sang ein Gedicht.

Mich aber, mich haben
Die Wogen begraben,
In Flammen so rot
Ergriff mich der Tod!
Ach! wüßt es die Linder
Sie riefe die Kinder,
Und käme mit Segen
Ans Ufer gekniet
Und sänge ein Lied,
Das Gott könnt bewegen,
Weil gern sie vergibt,
Sich mein zu erbarmen,
Des Ärmsten der Armen,
Der heiß sie geliebt,
Der alles ihr Lieben
Auch selber muß üben
Und der in den Trieben,
Die sie überlebt,
Zu sterben nicht bebt.


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Gedichte Gärtnerlied im Liedergarten der Liebe - Brentano