Gedichte Buonaparte in Egypten

Aus dem Schoos der Nacht entwindet mühesam die Dämmerung sich,
Und der Dämmerung Gebilde löset einst des Tages Licht.
Endlich fliehet die Nacht! und herrlicher Morgen
Golden entsteigst du dem bläulichten Bette der Tiefe
Und erleuchtest das dunkle Land wo der Vorzeit
Erster Funke geglüht, wo Licht dem Dunkel entwunden
Früh gelodert im Schutze mystischer Schleier
Dann auf lange entfloh und ferne Zonen erleuchtet. –
Ewig weicht sie doch nicht vom heimischen Lande
Die Flamme, sie kehret mit hochaufloderndem Glanz hin.
Alle Bande der Knechtschaft löset die Freiheit,
Der Begeisterung Funke erwekt die Söhne Egyptens. –
Wer bewirkt die Erscheinung? Wer ruft der Vorwelt
Tage zurük? Wer reiset Hüll und Ketten vom Bilde
Jener Isis, die der Vergangenheit Räthsel
Dasteht, ein Denkmal vergessener Weisheit der
Urwelt?
Bonaparte ist’s. Italiens Erobrer,
Frankreichs Liebling, die Säule der würdigeren Freiheit
Rufet er der Vorzeit Begeisterung zurüke
Zeiget dem erschlaften Jahrhunderte römische Kraft. –
Möge dem Helden das Werk gelingen Völker
Zu beglücken, möge der schöne Morgen der Freiheit
Sich entwinden der Dämmerung finsterem Schoose.
Möge der späte Enkel sich freuen der labenden
Der gereiften Frucht, die mit Todesgefahren
In dem schreklichen Kampf mit finsterem Wahn, der Menge
Irrthum, der großen Härte, des Volks Verblendung
Blutige Thränen vergiesend die leidende Menschheit
Zitternd in dieses Jahrhunderts Laufe gepflanzt.


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