Gedichte An den Verstorbenen

1841

O Ritter, toter Ritter,
Leg‘ deine Lanze ein!
Sie soll in tausend Splitter
Von mir zertrümmert sein.
Heran auf deinem Rappen,
Du bist ein arger Schalk,
Trotz Knappen und trotz Wappen,
Trotz Falk und Katafalk!

Ich steh‘ nicht bei dem Trosse,
Der räuchernd vor dir schweigt,
Weil du ein Herz für Rosse
Und fürs Kamel gezeigt;
Baschkire oder Mandschu –
Was schiert mich deine Welt?
Ich schleudre meinen Handschuh
Dir in dein ödes Zelt.

Dem Reich der Mamelucken
Weissagst du Auferstehn,
Und sähest ohne Zucken
Dein Vaterland vergehn;
Doch wiegtest unter Palmen
Du dein Prophetenhaupt,
Wenn nicht aus unsern Halmen
Du erst dein Gold geraubt?

Du steuerst nun so lange
Im Weltmeer aus und ein,
Und ward es nie dir bange,
Daß du so klein, so klein?
Ist er dir nie erschienen,
Der Fürst von Ithaka,
Wenn deine Sündermienen
In seinem Reich er sah?

Und sprach er nie mit Grollen:?
„Fort aus dem freien Meer!
Wirf nicht in seinen Schollen
Dein Lügenkorn umher!
Zieh heim an deine Pleiße,
Zieh heim an deine Spree;
Nicht jede Fürstenreise
Ist eine Odyssee.“

Wohl ist er unerreichbar
Der göttliche Uliß,
Doch du bist ihm vergleichbar
Am wenigsten gewiß.
Im Saus nicht und im Brause
Hat er die Zeit verdehnt,
Er hat sich stets nach Hause
Zu Weib und Volk gesehnt.

Für deines Volkes Rechte
Wie fochtest du so schlecht!
Du standest im Gefechte –
Ja, für das Türkenrecht;
Du stirbst auch auf dem Schilde,
Ja, auf dem Wappenschild;
Klag‘ nicht, daß deine Gilde
Fortan bei uns nichts gilt!

Den Marmor bringt Karrara
Noch nicht für den hervor,
An den der Niagara
Den Donner selbst verlor,
Der nur in alle Fernen
Zu seiner Schmach gereist,
Und noch vor Gottes Sternen
Auf seine Sternchen weist.

O Ritter, schlechter Ritter,
Leg‘ deine Lanze ein!
Sie soll in tausend Splitter
Von mir zertrümmert sein.
Laß ab, laß ab und spähe
Nicht nach der Wüste Sand!
Ich setze in der Nähe
Dich in dein Vaterland.


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Gedichte An den Verstorbenen - Herwegh