Gedichte Der May

Der junge May erscheint, und streuet Gold,
Und Azur in die Lüfte,
Das Thal, besät mit Frühlingsblumen, zollt
Den Zephyrn wieder Düfte.

Nun schlinget sich der Bach, vom kalten Band
Des Eises loßgebunden,
Die Flur hinab, den sammetweichen Rand
Mit Kränzen rund umwunden.

In jedem Wellchen schwimmt Aurorens Bild,
Wenn sie den Tag erwecket,
Den ganzen Ost in ihren Purpur hüllt,
Den Berg mit Gold bedecket.

Nun sinket Dämmerung und grüne Nacht
Von jedem Wipfel nieder,
Nun wirbeln, wenn der Abendstern erwacht,
Der Nachtigallen Lieder.

Nun hüpft die Ruh, dort, wo das Quellchen schwätzt,
Im aetherblauen Kleide,
Mit ihrer Schwester, die der Erdball schätzt,
Am Arme, mit der Freude.

Sie fliehn die Stadt, den goldenen Pallast,
Und seine Marmorsäale
Die Tafeln, die der weise Comus haßt,
Die schäumenden Pocäle.

Sie tanzen durch die Blümchen ihren Reihn,
Von Westen sanft gekühlet,
Und um den Schäfer, der im Buchenhayn
Auf seiner Flöte spielet.

O dreymahl glücklich, wer an ihren Arm
Geschlungen, durch die Flächen,
Voll Heerden, irrt, in Thälern, die kein Harm
Beschleichet, an den Bächen.

Sein Geist ist ruhig, wie der Sommersee,
Um den ein Wäldchen nicket,
Wenn Luna von des Himmels blauer Höh
Auf ihn herunterblicket.


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Gedichte Der May - Hölty