Für Anny
I
Es ist so sanft, durch diesen Herbst zu eilen
Und dieses Blau des Himmels zu betrachten,
Bei spielerischen Kindern zu verweilen
Und auf den guten Gang des Greises achten.
Ein Adler glitzert auf der Zitadelle.
Ein Leoparde raschelt Bellinzona.
Auf seinem gelben und gefleckten Felle
Reitet die schönste Frau der Welt: Ilona.
Sie lächelt. Und ich hebe meine Hände.
Sie winkt. Ich sinke seufzend vor ihr nieder.
Es scheint das ausgebreitete Gelände
Um ihre Brust gespannt als goldnes Mieder.
O lass die Landschaft von der Hüfte fallen!
Entferne doch den Himmel aus den Blicken!
Und sei ein Mensch! Die Abendglocken schallen.
Du darfst beglückt sein, Mensch, und darfst beglücken.
II
Noch sind voll grünem Laube die Platanen.
Die Reben hängen an den Stöcken schwer.
Die Menschen frieren in den Eisenbahnen
Voll Ahnung frühen Winters allzusehr.
Ja: morgen ist die letzte Traubenlesung;
Dann gibt der Winter uns den milden Wein
Und schenkt uns Wehmut und Verzweiflung ein.
Ich rieche dich im Laube der Verwesung…
III
Und so will ich, was ich werde;
Immer grösser grüsst der Mond.
Palmenbaum und dunkle Erde
Werden zarter sich gewohnt.
Silbersee zieht ohne Barke
Stromgleich durch verlassnes Laub.
Und des Winzers goldne Harke
Sank beseligt in den Staub.
Dass sich Brust an Brüsten dehne!
Gib den Winden ihren Lauf!
Einer Flöte Kantilene
Spielt zum Tanz der Motten auf.
Rote Rose, Winter witternd,
Kranke Frau im weissen Thron –
Heute starb, ich ahn es zitternd,
Meiner Küsse schönster Sohn.
IV
Der Mondschein glänzt wie deine Haut,
Dein schwarzes Haar ist weinbetaut.
Wer will den Wein? wer schuf die Hand?
Land wurde Leib, Leib wurde Land.
In braunen Augen wächst der Wald
Mit Reh und Baum zur Herbstgestalt.
Die Fliegen auch auf deiner Stirn
Im Flug der Liebe sich verirrn.
Ein jedes Gute findet leicht
In deinem Lächeln sich erreicht.
Ein jedes Elend fliesst als Blut
Aus deinem Schoss. Wird Kind. Wird gut.