Gedichte Russische Revolution

Sind arm. Sind arm.
Kommen von weit her.
Aus Vologda. Aus Tomsk.
Aus tausend Orten,
Die keinen Namen haben.
Willst du an Gott glauben?
Glaube an uns!
Willst du fröhlich sein?
Sieh uns lächeln!
Wir tragen in unseren rissigen Bauern – Arbeiterfäusten
Wie eine Vase aus dem Petersburger exotischen Museum die Zukunft.

Freundchen, was soll das?
Einmal müssen wir doch alle sterben.
Reg dich nicht auf.
Eine Kugel im Kopf ist immer noch besser
Als ein Loch in der Hose.
Wenn du mir hundert Kerenskirubel gibst,
Laß ich deine Leiche
An der Mauer für deine Braut photographieren.
Was meinst du?

Rußland ist groß. Rußland ist groß.
Die Sonne hängt hoch – gottverdammt –
Wer hat sie so hoch gehängt?
General Wrangel hat sie an den Galgen gebracht.

Jeden Morgen begegne ich dem großen General.
Er steht am Newski-Prospekt
Und verkauft die Prawda.
So hat er einmal uns alle verkauft:
An seine Auftraggeber.
General, Weißbart, Weißgardist:
Deine Arbeit ist keine Schande.
Und du verdienst mehr, als du verdienst.

Wenn du Lenin sprichst,
Blühen die Zahlen wie Blumen,
Er hat eine Stierstirn, er rennt Wände ein,
Solche aus Papiermaché,
Solche aus Zeitungsballen,
Die dicksten Lügen der Welt,
Solche aus Steinquadern.
Seine Stirn ist ein Hammer.
Die Splitter stieben.

Manchmal in einsamen Nächten,
Wenn ein Schuß tönt,
Wenn der Gebärschrei einer Frau
Die dunklen Straßen zerreißt:
Weine ich über mich, über mein Vaterland, die Welt.

Im Anfang war das Wort,
Das Wort war der Anfang.
Nunmehr heißt es: fortschreiten.
Weitergehen! Nicht stehen bleiben! Circulez!
Wie die Clowns im Zirkus, so rufe ich euch zu:
Commencez! Travaillez!
In dem Willen liegt die Tat.
Sie sei groß!
So wird am Ende wieder das Wort sein,
Das große Wort, das sie beschreibt.

Darauf kommt es an:
Sich im kleinen Kreis seines Lebens so zu bewegen,
Planetarisch zu bewegen,
Daß man in der sphärischen Ellipse läuft,
Wie die Erde um die Sonne, der Mond um die Erde.
Darauf kommt es an:
Daß Sinn und Sein,
Wort und Werk,
Tat und Traum
Unauflöslich unentkettbar eins sind.

Die Karsavina vom russischen Ballett tanzt

Ach, wenn ich Engelszungen hätt‘!
Der Zar ist tot.
Es lebe sein Ballett!

Ich gäbe meiner Jahre zehn,
Hätt‘ ich die Pawlowa geseh’n.
(Nijinski sprach ich in der Schweiz:
Er war ein wenig blöd bereits
Und doch von stark barockem Reiz.)

Die Karsavina tanzt den Walzer von Chopin:
Glaube, liebe, hoff‘!
Verzweifelt hing ihr oft am Hals er,
Der Partner namens Gawriloff.

Die Karsavina war wie Schwäne
Auf schwarzen Weihern manchmal sind.
Sie stieg wie Anadyomene
Aus Schaum und Wolken, Licht und Wind.

Sie schwebte wie ein goldner Vogel
Hoch über Busch und Baum und Kogel.
Man sah im Himmel sie vergeh’n:
So hoch, so fern, ein blasser Stern…
(Auf Wiedersehn! Auf Wiedersehn!)

Ich hielt mich fest an meiner Lehne,
Sie floh, um auch sich selbst zu flieh’n.
Und mir ins Lid stieg eine Träne,
Und die war nicht von Glycerin.

Wer irdisch nur, kann also schweben,
So lächeln nur, wer viel erlitt.
Komm wieder, du geliebtes Leben,
Und bring‘ den andern Partner mit!


1 Star2 Stars3 Stars4 Stars5 Stars (2 votes, average: 2,50 out of 5)

Gedichte Russische Revolution - Klabund