Gedichte An einen deutschen Staat

1832

Du wachst; allein wer bürgt dafür,
Ob nie du schlafen wirst?
Ob Mut und Vaterlandsgefühl
Auf ewig bleiben wach?

Du ruhst an einem Bergesrand
Gefährlich überaus,
Und wehe dir, sobald du schläfst
Nur Einen Augenblick!

Gedenke nicht des Augenblicks,
Ins tiefre Werden sieh!
Die ganze Zukunft, liegt sie nicht
In deiner Brust allein?

Es sah die Welt Jahrhunderte
In dumpfen Schlaf gesenkt,
Und einer wildbewegten Zeit
Folgt eine träge nach.

Wer aber selbst in schlaffer Zeit,
Wer, sprich, erhielt sich wach?
Es blieben selbst in schlaffer Zeit
Die freien Völker wach!

Es ist die Freiheit jener Puls,
Der stets lebendig schlägt,
Der stets zum Kampfe treibt ein Volk
Für seinen eignen Herd.

Nie fehlen ihr Verteidiger,
Nie mangelt ihr ein Schwert,
Und wer sie recht gekostet hat,
Geht in den Tod für sie!

O wär ich frei, wer raubte mir’s?
Verlör ich jede Hand,
So hielt ich doch die Waffe noch
Mit meinen Zähnen fest!

Du fürchtest diesen starken Wein,
Dieweil er mächtig gärt;
Doch setze nur den Becher an,
Er macht die Seelen stark!

Und wenn du diesen Trieb erstickst
(Du willst es nicht, ich weiß!)
Dann stehst du nackt und waffenlos,
Wie ein entnervter Greis.

Wann dieser Trieb erlischt, er ist
Erloschen manchem Volk,
Du rüttelst dann die Leiche wohl
Und rüttelst sie nicht auf!

Er sei bewahrt als Heiligtum,
Der ewigen Lampe gleich,
Die hangend vor dem Hochaltar
Des Doms Gewölb erhellt.

Vergebens blickt Bewunderung
Auf alte Völker hin:
Bewundert nicht! Es liegt an euch,
So groß zu sein wie sie!

Wirf endlich diese Stelzen weg
Vornehmer Gleisnerei:
Wahr sei der Mensch, er krieche nicht,
Sonst braucht es kein Gebet.

Im Herzen wohnt die Gottesfurcht,
Und bloß ein Wüterich
(Wir wurden’s inne) breitet sie
Wie einen Mantel aus!

Wann deiner Söhne jeglicher
Sein Bürgertum erkennt,
Dann sinkt vor dir Europas Schwert
Und Asiens Henkerbeil!


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