Gedichte Kaum hörst Du auf, so fang‘ ich an

Kaum hörst Du auf, so fang‘ ich an,
Dich erst recht zu vermissen,
Ich habe ein Gelübd‘ getan,
Kein andres Weib zu küssen.

Gewaltig, regt es sich in mir,
Zu leben und zu lieben,
O süße Frau wär‘ ich bei Dir,
Ich wollt‘ Dich nicht betrüben.

Du letzter Preis von Lieb‘ und Lust,
Wie konnte ich Dich quälen,
Ach hätt‘ ich jemals was gewußt,
Wie könnt‘ ich dann erzählen.

Die Lippe schließt der Liebe Kuß,
Ich hab‘ ihn nie empfangen,
Es rühmt sich nur der Überdruß,
Es seufzt nur das Verlangen.

Kaum hörst Du auf, so fang‘ ich an
Versäumnis muß ich büßen,
O wandelte die Lust mich an
Ein andres Weib zu küssen.

Mein Kuß ist jung, mein Kuß ist alt,
Ich küss‘ mit weisen Listen,
Es würde Liebe und Gewalt,
Die Untreu‘ Dir nicht fristen.

So lebe wohl, verzeihe Dir!
Die keusche Bahn zu wandlen,
Ich lebe wohl, verzeihe mir,
Im Traum Dich zu – mißhandlen.


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Gedichte Kaum hörst Du auf, so fang‘ ich an - Brentano