Gedichte Die beschränkte Frau

Ein Krämer hatte eine Frau,
Die war ihm schier zu sanft und milde,
Ihr Haar zu licht, ihr Aug‘ zu blau,
Zu gleich ihr Blick dem Mondenschilde;
Wenn er sie sah so still und sacht
Im Hause gleiten wie ein Schemen,
Dann faßt‘ es ihn wie böse Macht,
Er mußte sich zusammen nehmen.

Vor allem macht ihm Überdruß
Ein Wort, das sie an alles knüpfte,
Das freilich in der Rede Fluß
Gedankenlos dem Mund entschlüpfte:
„In Gottes Namen“, sprach sie dann,
Wenn schwere Prüfungsstunden kamen,
Und wenn zu Weine ging ihr Mann,
Dann sprach sie auch: „In Gottes Namen.“

Das schien ihm lächerlich und dumm,
Mitunter frevelhaft vermessen;
Oft schalt er und sie weinte drum,
Und hat es immer doch vergessen.
Gewöhnung war es früher Zeit
Und klösterlich verlebter Jugend;
So war es keine Sündlichkeit
Und war auch eben keine Tugend.

Ein Sprichwort sagt: Wem gar nichts fehlt,
Den ärgert an der Wand die Fliege;
So hat dies Wort ihn mehr gequält,
Als andre Hinterlist und Lüge.
Und sprach sie sanft: „Es paßte schlecht!“
Durch Demut seinen Groll zu zähmen,
So schwur er, übel oder recht,
Werd‘ es ihn ärgern und beschämen.

Ein Blütenhag war seine Lust.
Einst sah die Frau ihn sinnend stehen,
Und ganz versunken, unbewußt,
So Zweig an Zweig vom Strauche drehen;
„In Gottes Namen!“ rief sie, „Mann,
Du ruinierst den ganzen Hagen!“
Der Gatte sah sie grimmig an,
Fürwahr, fast hätt‘ er sie geschlagen.

Doch wer da Unglück sucht und Reu,
Dem werden sie entgegeneilen,
Der Handel ist ein zart Gebäu,
Und ruht gar sehr auf fremden Säulen.
Ein Freund falliert, ein Schuldner flieht,
Ein Gläub’ger will sich nicht gedulden,
Und eh ein halbes Jahr verzieht
Weiß unser Krämer sich in Schulden.

Die Gattin hat ihn oft gesehn
Gedankenvoll im Sande waten,
Am Kontobuche seufzend stehn,
Und hat ihn endlich auch erraten;
Sie öffnet heimlich ihren Schrein,
Langt aus verborgner Fächer Grube,
Dann, leise wie der Mondenschein,
Schlüpft sie in ihres Mannes Stube.

Der saß, die schwere Stirn gestützt,
Und rauchte fort am kalten Rohre:
„Karl!“ drang ein scheues Flüstern itzt,
Und wieder „Karl!“ zu seinem Ohre;
Sie stand vor ihm, wie Blut so rot,
Als gält‘ es eine Schuld gestehen.
„Karl“ sprach sie, „wenn uns Unheil droht,
Ist’s denn unmöglich, ihm entgehen?“

Drauf reicht sie aus der Schurze dar
Ein Säckchen, stramm und schwer zu tragen,
Drin alles was sie achtzehn Jahr
Erspart am eigenen Behagen.
Er sah sie an mit raschem Blick,
Und zählte, zählte nun aufs neue,
Dann sprach er seufzend: „Mein Geschick
Ist zu verwirrt, – dies langt wie Spreue!“

Sie bot ein Blatt, und wandt‘ sich um,
Erzitternd, glüh gleich der Granate;
Es war ihr kleines Eigentum,
Das Erbteil einer frommen Pate.
„Nein“ sprach der Mann, „das soll nicht sein!“
Und klopfte freundlich ihre Wangen.
Darm warf er einen Blick hinein
Und sagte dumpf: „Schier möcht‘ es langen.“

Nun nahm sie, aus der Schürze Grund,
All ihre armen Herrlichkeiten,
Teelöffelchen, Dukaten rund,
Was ihr geschenkt von Kindeszeiten.
Sie gab es mit so freud’gem Zug!
Doch war’s als ob ihr Mund sich regte,
Als sie zuletzt aufs Kontobuch
Der sel’gen Mutter Trauring legte.

„Fast langt es“, sprach gerührt der Mann,
„Und dennoch kann es schmählich enden;
Willst du dein Leben dann fortan,
Geplündert, fristen mit den Händen?“
Sie sah ihn an, – nur Liebe weiß
An liebem Blicke so zu hangen –
„In Gottes Namen!“ sprach sie leis,
Und weinend hielt er sie umfangen.


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Gedichte Die beschränkte Frau - Droste-Hülshoff