Gedichte Der Tod des Adonis

Sieben Wochen schon schreit Kypris,
Denn Adonis starb,
Der schönste der Menschen.
Die Sterne weinen nachts Sternschnuppen,
Und salzig von Tränen ist
Das Gewässer der Flüsse.
An den Quellen sitzen die Nymphen
Und schluchzen,
Und jammernd durch Feld und Hain
Streifen Eroten.
Ihr Klagegeschrei
Ai ai ai
Durchhallt die Schluchten und schreckt
Den einsamen Wanderer.

Unseligen Tod
Starb der Geliebte.
Denn als er wandelt
Durch den Wald,
Begegnet ihm ein wilder Eber,

Der alsogleich entbrennt wider den Schönen
In Liebe.
Liebkosend er gegen ihn sprang.
Aber so rauh war seine Zärtlichkeit,
Dass mit den Hauern er
Dem schönen Knaben
Die Brust zerriss.

Unbeerdigt lag er im Moose
Unverwest.
Kein Wurm ihn benagte
Und keine Krähe ihn hackte.
Der Mond hielt mit bleicher Fackel
Die Totenwacht.
Die Geister der untern Welt,
Sie kamen
Schleichend und schillernd
Herauf
Und sassen am weissen Strom seines Leibes
Wie an den Ufern des heiligen Flusses.

Und Charon nahm
Am siebenten Tage
Den leuchtenden Leichnam
Auf seine Schulter wie ein totes Reh,
Das der Jäger nach Hause trägt
Zu den Seinen.

Der Leichnam blinkte
In den Grotten der Unterwelt

Wie eine weisse Ampel.
Von allen Seiten
Die toten Seelen
Wie nächtliche Falter zum Lichte flogen,
Bis sie ihn deckten
Bedeckten
Und er
Unter den schwarzen Flügelschlägen
Erlosch.


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