Gedichte An die Dichter meiner Zeit

Die Neuern sehen heller im Sittlichen,
Als einst die Alten sahn. Durch das reinere
Licht, diese reife Kenntnis, hebt sich
Höher ihr Herz, wie das Herz der Alten.

Drum dürfet ihr auch, wenns in den Schranken nun
Der Künste Sieg gilt, kämpfen beseelt vom Mut,
Dürft, wenn der Herold hoch den Lorbeer
Hält, mit den Kalokagathen kämpfen!

Viel Zweig, und Sprosse haben die Tugenden;
Zu jedem stimmen laut die Empfindungen:
Da grünet, blüht nichts bis zum hohen
Wipfel, das nicht in die Seele dringe.

Viel Zweig, und Sprosse hat auch die böse Tat;
Vor jedem schauern auf die Empfindungen:
Da welket, dorrt nichts bis zum hohen
Wipfel, das nicht in die Seele dringe.

Die mehr der Stufen zu dem Unendlichen
Aufstiegen, schauen höhere Schönheit. Er,
Das Sein, ward durch des Altertumes
Märchen entstellt, die von Göttern sangen.

Heiß ist, wie weit auch strahle der Kenntnis Licht,
Der Kampf ums Kleinod! Wem bei der Fackel Glanz
Nicht laut das Herz schlägt, froh nicht bebet,
Flieht, ist er weise, die Ebnen Delphi’s.

Der ersten Zauberin in des Dichters Hain,
Darstellung heißt sie, weihet der, opfert ihr
Der Blüten jüngste! Diese Göttin,
Streitende, muß euch mit Huld umschweben.

Wenn Geist mit Mut ihr einet, und wenn in euch
Des Schweren Reiz nieschlummernde Funken nährt;
Dann werden selbst der Apollona
Eifrigste Priester euch nicht verkennen.

Denn ihnen winkt der amphiktyonische
Kampfrichter; sie sind seiner Gesetze, sind
Des eingedenk, daß in der Tafeln
Erste gegraben war: Keuscher Ausspruch!

Der Enkel siehet einst von Elysium
Achäas Schemen kommen, und (in dem Hain
Umweht es sie melodisch) euren
Sieg ihm verkünden mit edlem Lächeln.


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