Einen festlichen Abend stieg mit dem Schimmer des Mondes
Salem, der Engel der Lieb, und mein Schutzgeist,
Vom Olympus herab; ich sah den Göttlichen wandeln
Und ihn gegen mich lächelnd einhergehn.
Ewigblühende Rosen umkränzten sein fließendes Haupthaar,
Himmlische Rosen, von Tränen erzogen,
Die bei dem Wiedersehn einander Liebende weinten,
Als sie kein Tod mehr trennt, und kein Schicksal.
Und ein wolkiger Hauch geatmeter Weihrauchsdüfte
Floß von dem Haupt des Unsterblichen nieder;
Opferdüfte, wie Gott sie bei süßen dankenden Liedern
Nach dem Tode die Liebenden opfern,
Daß er sie ewig erschuf, und sie, für einander geschaffen,
Auf der Erde sich fanden und liebten,
Sie kein Schicksal trennte, daß sie nun ewig sich lieben,
Weil sie auf Erden sich fanden und liebten.
Also näherte Salem sich mir, und tief in mein Herz hin
Drang ein Schauer wallender Freuden,
Wie ich mich freue, wenn ich ein Kind der Unschuld erblicke
Und an Adams Unsterblichkeit denke.
Sieh‘, ein silberner Ton floß von der Lippe des Seraphs,
Und er blickte sanfter und sagte:
„Ich bin Salem, der Liebenden Engel, die edler sich lieben,
Göttlicher, als sich Sterbliche lieben.
Wenn es die ersten Empfindungen schlägt, in den stammelnden Jahren
Bild‘ ich das Herz der jungen Geliebten.
Lehre dann in Tränen des Knaben Auge zerfließen,
Die er unwissend der Sterblichen weinet,
Die er lieben soll. Sähe den Knaben die Sterbliche weinen,
O, sie würd‘ ihn da schon umarmen
Und ihn lieben, und wüßt‘ es doch nicht, daß es Liebe wäre,
Was sie in seiner Umarmung empfände.
Wenn die Sterbliche nun, wie an den Bächen des Himmels
Eine Rose der Seraphim, aufblüht
Und den Jüngling erblickt, der seiner Einsamkeit Tage
Fühlt und seufzend ihr Ende verlanget,
Läßt sie der Tränen viel‘ ihn weinen, Tränen der Wehmut
Und der unaussprechlichen Liebe.
Denn sie fühlet noch nicht für ihn, was für sie er empfindet,
Kennet nicht den zärtlichen Kummer
Seiner Seele, den tränenden Blick nicht des wachenden Auges
Durch die mitternächtlichen Stunden,
Seines Herzens Beklommenheit nicht, worüber er selbst staunt,
Weil er noch nie die Bangigkeit fühlte,
Nicht sein frommes Gebet; das hatte Der nur vernommen,
Der sie für einander erschaffen.
Dann, dann sendet mich Gott, dann steig ich in heiligen Träumen
In das Herz der Sterblichen nieder.
Schlafend sieht sie den Jüngling, wie er in Tränen zerfließet,
Und mit bebender Stimme die Liebe
Endlich stammelnd ihr sagt, dann wieder in Tränen zerfließet,
Und mit stummer Wehmut ihr flehet.
Dann empfindet sie große Gedanken, das Glück zu verachten
Und die Schattenweisheit der Kleinen,
Die, ohnmächtig, die Liebe ganz und die Tugend zu fühlen,
Da noch von Glückseligkeit träumen.
Ach, dann kommt die selige Stunde der ersten Umarmung
Und die jauchzende Jugend der Liebe.
Dann erzittern von süßer Entzückung die ewigen Seelen,
Von der Begeistrung himmlischer Freuden.
Dann erstaun‘ ich über die hohen Wesen, die Gott schuf,
Als er Seelen schuf zu der Liebe.
Und wie stolz, mit welcher Empfindung bring‘ ich die Seelen
Nach dem Tode zur ewigen Ruhe,
Zu den Scharen der Liebenden alle, die ewig sich lieben,
Weil sie auf Erden sich fanden und liebten!“
Wenn du der bist, himmlischer Fremdling, ach, wenn du der bist,
O, so höre mich, göttlicher Salem!
Höre mit Huld mich, du Schönster der Engel, und lehre ich Tugend,
Daß ich der Liebe Wonne verdiene!
Warum wendest du dich? ach, warum fliehst du mein Auge?
Warum muß ich traurend dir nachsehn?
Salem, ich hoffte, du solltest mich hören, da die mich nicht höret,
Der mein Herz schon lange geweint hat.
Ach, ich hoffte, du solltest auch ihr in heiligen Träumen
Meiner Seele Bekümmernis zeigen,
Mein erzitterndes Herz, wie ich in Tränen zerflösse,
Und mit bebender Stimme die Liebe
Endlich stammelnd ihr sagte, dann wieder in Tränen zerflösse
Und mit stummer Wehmut ihr flehte!
Warum wendest du dich? ach, warum fliehst du mein Auge?
Warum muß ich traurend dir nachsehn?