Gedichte Herrscher und Volk

Nie sehnt ein willkürübender Herrscher sich
Nach Dichterweihrauch, dessen er nicht bedarf:
Er legt ans Schwert kraftvoll die Faust und
Wen er zum Opfer sich wählt und wer ihm

Mißfällt und wer Freiheit zu verkünden wagt,
Den trifft der Tod, den decken Sibiriens
Schneefelder zu, der wird geschmiedet,
Tief in der Grotte des Felseneilands,

Titanenhaft auf eisernen Rost, zu dem
Das Meer emporschlägt. Aber das Volk bedarf,
Ohnmächtig schmerzvoll, eines Mannes,
Welcher im Lied es empfiehlt der Nachwelt

Als Stoff des Mitleids, welcher erzählt, wie schnell
Zusagen wehn aus fürstlichem Mund, und ach!
Gleichschnell verweht sind, wie man Schwüre
Bricht in der Nähe des Pols und südwärts!

Sind Schwüre nicht (leicht löst sie der Papst) ein Spiel
Herzloser Bourbons? Nichtigem, falschem Eid,
Ach, lauschte Frankreich; lauschte Spanien,
Lauschte das Land um Messinas Pharus,

Diesseits und jenseits! Einen erblickten wir,
Der seines Zwingherrn blutige Hand geküßt,
Nachdem umsonst sein Volk des Wagens
Stricke zerhaun, den geliebten König

Nicht lassen wollend. Jener entwich, da focht’s
Sechs Jahr um ihn, sechs Jahre, befreit zuletzt
Ihn aus der Haft. Er kommt und liefert
Seine Befreier dem Blutgerüst aus.

War solches Undanks fähig ein Nero selbst?
Dem, der für ihn sich opferte, mindestens
Dem Strang des Henkers ihn entrückend,
Hätt er ein rühmliches Grab gegönnt ihm!

Ihr fürchtet nichts, Tyrannen, allein den Tod
Doch fürchtet ihr, der kein Diadem verschont:
So möge denn ums Sterbelager
Drängen sich euch der verhaßte Chorus

All derer, die dumpfbrütende Kerkerluft
Frühzeitig wegrafft, all der Gequälten Geist,
Die auf Galeeren euch, mit Mördern
Eng aneinander gekoppelt, fluchen,

All derer, die, weit über die Welt zerstreut,
Vom Bild der Heimat ihre Gemüter voll,
An fremder Tür ihr Brot erbetteln,
Ja, zu Barbaren verbannt, des Moslems

Mildtätigkeit anflehen! Um euer Bett
Wird manch Gespenst mit drohendem Finger stehn,
Durch Kettenlärm euch weckend, oder
Priester und Priestergebet verscheuchend.


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