Gedichte Harald Schönhaar

1813

In der Freude der Hallen zechte,
Frode, König von Hadaland,
Ida, die Schöne, deckt‘ ihm die rechte,
Kämpfer deckten die linke Hand;
Hell zum Becher die Skalden sangen
Odins Reisen und Ragnars Krieg,
Als mit Brausen die Pforten klangen,
Und die Stufen ein Mann erstieg.
Stattlich tritt er mit zücht’gem Neigen
An dem Stuhle der Fürstin hin,
Und die Stimmen der Skalden schweigen,
Und es staunet der Männer Sinn;
Um die mächtigen Schultern stießen
Locken schimmernd wie Sonnenschein,
Und die blitzenden Augen schießen
Furcht in tapfere Herzen ein.
Und es reicht von dem Sitz der Alte
Ihm den Becher, den goldnen, zu,
Daß er das Mahl mit den Kämpfern halte,
Neigt er und winkt er ihm freundlich zu;
Doch der Jüngling mit fester Rede
Zu dem König der Inseln spricht:
Nicht zum Spiele und nicht zur Fehde,
Zu dem Becher auch komm‘ ich nicht.
Um die Schöne ich komme werben,
Um die Fürstin, die Tochter dein,
Harald heiß‘ ich, von Odins Erben
Nicht der letzte in Schlachtenreihn,
Harald Schönhaar, der Sohn des Grafen,
See mir Heimat und Himmel Dach –
Rede: soll ich bei Ida schlafen?
Soll sie schmücken ihr Brautgemach?
Nein! bei Ida nicht sollst du schlafen,
Stelle tiefer den stolzen Mut;
Tausend Streuner sich nennen Grafen,
Tausend Knechte sich Odins Blut:
In der Herrschaft der weiten Lande,
In dem Scepter und in dem Schwert
Gieb von himmlischen Ahnen Pfande,
Geh, und weise dich Odins wert!
Und der Jüngling mit edlem Zorne
Rennet hinnen im schnellen Lauf,
Bläst die Seinen mit hellem Horne
Risch aus Bergen und Thälern auf,
Und er schwöret und läßt sie schwören,
Herrscher will er der Länder sein
Oder frühe mit blut’gen Ehren
Gehn zur Freude Walhallas ein.
Und so zückt er das scharfe Eisen,
Und so bäumt er den starken Speer,
Und die Monden und Jahre reisen,
Und es schwillet ihm Macht und Heer,
Riesen schlägt er und schlimme Zwerge,
Überwindet der Zaubrer List,
Bis er König der höchsten Berge,
König der Küsten und Inseln ist.
Und nun fliegt er mit süßem Triebe
Hin zur Feste, wo Ida sitzt,
Und er rufet: Thu auf mir, Liebe!
Harald ruft, der das Land besitzt.
Und sie öffnet der starken Mauer
Eisenthore dem Helden weit,
Doch die Augen umhüllet Trauer
Und die Glieder ein schwarzes Kleid.
Und er staunet – doch sie in Freuden
Bricht von Eichen den grünen Kranz,
Drückt ihm züchtig und hold bescheiden
Auf die Locken den Ehrenglanz,
Heißt ihn lieblich vom Becher trinken,
Den sie füllet mit goldnem Wein,
Und die freundlichen Augen winken
Auf ihn, leuchtend wie Sonnenschein.
Dann, als Harald mit lieben Händen
Will die Liebliche zu sich ziehn,
Sieht er zornig den Leib sie wenden
Und zum ragenden Söller fliehn;
Nach sich zieht sie empor die Stufen,
Flammend wirft sie hinab den Blick;
Harald, spricht sie, die Geister rufen,
Harald, weiche! zurück! zurück!
Was wir heischten, du hast’s erfüllet.
Und ich flocht dir des Stolzes Lohn,
Odins Enkel ist groß enthüllet,
Herrsche lange, du Odinssohn!
Doch mein Vater und liebe Brüder
Liegen stumm durch dein grimmes Schwert,
Und sie laden mich: komm hernieder!
Zeig‘ auch du dich der Ahnen wert!
Hör‘ ich nicht sie in Winden wehen?
Brausen in Wellen nicht überlaut?
O ihr Götter in Himmelshöhen,
Nehmt mich, empfanget mich, Haralds Braut!
Fahr wohl, Sonne am blauen Bogen!
Nimmer färbst du den Tag mir rot –
Und sie springt in die wilden Wogen,
In den brausenden Heldentod.
Und der König erfaßt die Schöne,
Wie die Flut sie ans Ufer bringt,
Und er suchet umsonst die Töne,
Welche Leben und Liebe klingt,
Und er schlingt um den Leib die Rechte,
Hält ihn trauernd im bittern Harm,
Und zwölf stumme und finstre Nächte
Macht ihn Feuer und Schlaf nicht warm.
Dann gebeut er das Grab zu graben,
Senkt die herrliche Leiche drein,
Schmückt es glänzend mit Siegesgaben,
Türmt es hoch zum Gebirg von Stein,
Daß es stehe in langen Zeiten
Als ein Denkmal der Zärtlichkeit,
Woran Liebende traurig deuten
Alles Schönen Vergänglichkeit.


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