Gleich der Lilie, die erhöhet
Unter Dornen leuchtend steht,
So die Freundin rein erhöhet
Unter andern Töchtern steht.
Wie die Lilie leuchtend strahlet
Klar und rein und ohne Schuld,
Steht Maria lichtdurchstrahlet
Von des Himmels Gnad und Huld.
Dornen viel aus ihrem Stamme
Trafen sie in ihrem Sohn,
Doch des Herzens reine Flamme
Gab für Bittres süßen Lohn;
Denn wenn sie die Dornen spornen,
Duftet sie nochmal so süß,
Drum als Lilie unter Dornen
Sie das hohe Lied auch pries.
In der Lilie sieben Speere
Tragen goldne Körnlein lind,
Weil des heilgen Geistes Ehre
Siebenfach in Strahlen rinnt.
Nieder sind sie reich getauet
Zu des ewgen Königs Sohn,
Als er liebend hat gebauet
In der Lilie seinen Thron.
Einst auch strahlt zur letzten Stunde,
Wenn er uns zu richten kehrt,
Aus des ewgen Wortes Munde
Rechts die Lilie, links das Schwert.
Rechts die Lilie, die Gnade,
Links das Schwert, gerecht und streng,
Links hin führen breite Pfade,
Rechts hin Pfädlein, schmal und eng.
O du Lilie unter Dornen!
O du Mutter gnadenvoll!
Lasse mich durch Leiden spornen,
Wie ich rechts hin wandeln soll.
Gut wohl ist es mit den Frommen
Fromm zu sein, mit Reinen rein,
Aber es ist hoch vollkommen,
Unter Dornen Lilie sein.
Drum in Dornen hoch erhöhet
Die geliebte Lilie blüht,
Die da für die Sünder flehet,
Bis das Heil sie niederzieht.
Bis aus ihr, dem Kelch der Gnade,
Stieg des heilgen Geistes Frucht,
Jesus, der auf dorngem Pfade
Das verlorne Schäflein sucht,
Der da durch die Dornen dringet
Nach der Lilie, nach der Braut,
Bis er sie zu Tage ringet
In der Kirche Blut betaut,
Die mit Rosen hoch verzieret,
Die mit Lilien rein geschmückt,
In den Martyr’n triumphieret,
In den Jungfraun still entzückt.
Die als Brautleib auserwählet
Mit des höchsten Königs Sohn
Ewig jubelnd wird vermählet
Vor des Vaters heilgem Thron.
Siehst die Lilie du, Adele!
Und das Kindlein auch dabei,
Sorge treu, daß deine Seele
Für das Kindlein Lilie sei!
Dieses Lied sang von der Lilie,
Der in Dornen weidend geht,
Weil sie reimet auf Emilie,
Die sub rosa sich versteht.