Am Dienstagnacht des Winters von 1833-34 gegeben
17. Sept. 1834
O du lieber wilder Regen
O du lieber Sturm der Nacht,
Da der Finsternis entgegen
Ich mein Licht nach Haus gebracht.
Sturm du warst ein Bild des Lebens,
Licht du warst der Liebe Bild
Das im Drang des Widerstrebens
Leuchtet unter Jesu Schild.
Doch ich bebe, zieht so brausend
Spät der Sturm mir noch durchs Haar,
Treibt das welke Laub mir sausend
Noch im Kreis um den Altar.
Meine Lampe flackert, lecket,
Rußt die blanke Leuchte an,
Zuckend hin und her geschrecket
Zeigt ihr Schein mir irre Bahn.
Gleich‘ ich doch dem armen Schwimmer,
Der zum teuren Ziele ringt,
Den verführt von falschem Schimmer
Bald das wilde Meer verschlingt.
Alles hab‘ ich sinken lassen,
Sinken alle Lust der Welt,
Eines treu ans Herz zu fassen,
Was mich über Meer erhält.
Eine Gott gefallne Blüte
Trägt und hebt mein brennend Herz,
Treib o Woge die verglühte
Asche endlich heimatwärts.
Aber diese Blüte kühlet
Ewig mir die heiße Glut,
Nie verzehrt, die in mir wühlet,
Mich der Flamme irre Wut.
O ertränk‘ mich wilder Regen,
Schleudre mich du Sturm der Nacht
Einem scharfen Fels entgegen,
Daß mein schwerer Traum erwacht.
Wind und Wasser um mich zanken,
Auf den Bahnen wankt das Licht,
Schwarze Wolken der Gedanken
Stürzen vor das Weltgericht.
Soll ich fliehen, soll ich bleiben,
O unnennbar liebes Gut!
Wolle mich zum Ziele treiben,
Wo die ganze Hoffnung ruht.
Alles, was, im Sturm zu schiffen
Einst mein banger Arm umfaßt,
Treibt um mich, der selbst ergriffen
Schwebt ohn‘ Steuer und ohn‘ Mast.
Eines ist mir nur geblieben,
Eines, das ich nie verlor,
Ein unsterblich treues Lieben
Reißt mich überm Meer empor.
Heil dir, die des Sturmes Zügel
Mir mit Kinderhänden lenkt,
Und die reinen Himmelsflügel
Segelnd durch die Nacht hin schwenkt.
Immergrüne Dornenkrone
Die die Rosen seelwärts flicht,
Daß der Leib, aufschreit, o schone!
Und der Geist in Wonne bricht.
Ja ich trag‘ dich dicht am Herzen,
Du zerreißest mir die Brust,
Doch die Nesselglut der Schmerzen
Deckt mir eine heil’ge Lust.
Selig, gehst du treu zur Seiten,
Schweb‘ ich durch die Wetternacht,
Ist es doch ein süßes Leiden,
Wenn die fromme Lippe lacht.
O unnennbar lebend Sterben,
Himmelsbrot in Erdennot,
Lachen in uns selbst die Erben,
Macht der Tod die Wangen rot.
Tagsanbruch im Augenbrechen,
Glühnden Durst machst du zum Trank,
Dornen blühn, wenn Rosen stechen,
Erdenheil ist himmelskrank.
Wer bist du? mit müden Händen
Fasset dich ein letzter Traum,
Als die Nacht sich wollte wenden
Tratst du hell ihr auf den Saum.
Lichtes Sprosse – Himmelsleiter,
Flüßchen steig‘ allein nicht auf,
Öffne doch die Türe weiter,
Treibe meinen müden Lauf.
O süß Kind, Geliebte, Schwester,
Schatten, Leben, Leid und Lust,
Alle Vöglein haben Nester,
Und mein Herz hat eine Brust.
An der Türe angekommen
Sprachst du mir ein freundlich Wort,
Hättst mich gerne aufgenommen,
Doch mein Richter trieb mich fort.
Kann ich einst zu ruhn verdienen
Mit dir unter einem Dach,
Summen über uns die Bienen
Auferstehungsblumen wach.
Blumenaug‘ im Morgengrauen
Traumberauscht von Tränentau
Wirst du nach dem Bruder schauen
Perlen wiegend auf der Au.
Wirst süß duftend nicken, blicken
Flüstern zu des Gärtners Hand,
Sollst den Armen mit mir pflücken
Hab‘ zum Tod ihn treu erkannt.
Ja wenn ich erst kann verdienen,
Unter deinem Dach zu ruhn,
Ist der Morgen schon erschienen
Andres bleibt mir noch zu tun.
Muß noch einsam ringend steuern
Durch die wilde Wetternacht,
Bis zu allen Fegefeuern
Mir dein Flügel Kühlung facht.
O zu selig, daß ich Armer
Stehe in so edler Pein,
Daß ich ewig den Erbarmer
Seh‘ in des Gerichtes Schein.
Und so bin durch Wind und Wogen
Ich wie ein verlornes Kind
Durch die Blumen hingezogen,
Daß ich dir ein Sträußlein bind‘,
Und der Strauß den ich gepflücket
Ist das sturmverwirrte Lied,
Würd‘ er an dein Herz gedrücket,
Dann wär‘ er dem Herrn erblüht.
Als ich ihr dies Lied gelesen
Ward ich arm und todeskrank,
Ach und bin noch nicht genesen
Denn ich trank den Zaubertrank.