Gedichte Ihr kennt die Sitte wohl der Schotten

Ihr kennt die Sitte wohl der Schotten: –
Galt es ein rasch Zusammenrotten,
Aufglühte dann der Feuerbrand.
Gelöscht in Blut an beiden Enden,
Krieg heischend, ließ er sich entsenden
Von Haus zu Haus, von Hand zu Hand. –

Und als der Sandwirt wollte schlagen;
Als er bereit nun stand, zu wagen
Den Adlerflug, den Gemsensprung:
Da trat sein Hausweib hin zu Passer,
Und warf in das empörte Wasser
Die Späne der Verkündigung.

Rasch in die Tale mit den Wellen
Bis vor des Talvolks rauhe Schwellen
Bachabwärts rollte Span auf Span.
Daß alles fertig auf den Firnen,
Und daß zum Losbruch reif ihr Zürnen –
Blut, Mehl und Späne sagten’s an!

So meine Lieder möcht‘ ich säen! –
Wie die Ladurner mächt‘ ich stehen
An dem bewegten Strom der Zeit!
Wahrzeichen, frisch und rauh wie jene,
Möcht‘ ich sie werfen, blut’ge Späne,
Aus in der Tageswogen Streit!

Und, gleich Hochschotlands Feuerbränden,
Heiß durch mein Volk mächt‘ ich sie senden
In jede Mark, an jeden Herd:
Daß alles zu den Waffen führe,
Und rasselnd riefe: „Schüre, schüre!
Wo ist der Kampf? Wir stehn bewehrt!“

Noch harr‘ ich, in mich selbst versunken!
Nur dann und wann blitzt auf ein Funken
Der Glut, die meine Brände brennt!
Nur dann und wann mit frischem Munde
Geb‘ einen Blutspan ich der Stunde
Von denen, so die Passer kennt!

Was hülfen mehr? Schleicht doch in Dämmen
Ihr Wasser heut! – Doch überschwemmen
Wird einst das Land sie, kühn zu schaun!
Dann tret‘ ich vor mit Blut und Mehle –
Frei weht die Eiche meiner Seele:
Ich glaub‘, ich werde Späne haun!
St. Goar, Dezember 1843.


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