Gedichte En miniature

Was der bunte Vogel pfiff,
Fühle und begreif ich,
Liebe ist der Inbegriff,
Auf das Andre pfeif ich!
Wilhelm Busch

Farbenfunkelnd in ihr Goldhaar hatte
Ein Libellenweibchen sich verirrt.

Eins – zwei – drei Sekunden liess es dort
Zierlich seine Flügelchen vibrieren,
Klappte sie dann schillernd wieder auf
Und?
Fragt das Schilfrohr, wo es dann geblieben!

Lächelnd über das naive Thierchen,
Das Frisuren noch für Blumen hielt,
Band sie jetzt ihr kugelrundes Sträusschen
Regelrecht mit einem Halm zusammen.

Blank aus ihrem kleinen Goldreif blitzte
In die schwarzen Augen ihr die Sonne,
Und auf ihrem weissen Nacken liess
Blau der Flieder seine Blüthen zittern.

So, jetzt noch dies Bündelchen Reseda,
Jetzt dies Veilchen, jetzt dies Tausendschönchen,
Und – der alte Gärtnerjakob soll sich wundern!
Sich ihr Morgenröckchen sorglich schürzend,
Dass der Thau nicht seinen Saum zernässe,
Strich sie sich noch einmal übers Schürzchen,
Stippte dann die Blumen in den Springquell,
Den der Löwenkopf ins Becken spie,
Und die beiden kleinen Atlasschühchen,
Knallroth wie zwei Herrgottskäferchen,
Trippelten, tripp-trapp, um die Bosketts
Durch das sonnige Kastanienwäldchen
Auf das alte, graue Schlossthor zu.

Doch der Weg bis dahin ist noch weit.

So weit, dass das weisse Thürmchen dort
Nur noch wie ein Punkt durch die Allee blitzt.

Und sie spitzt ihr kirschrothrundes Mäulchen,
Dreht dem Faun, der marmorn sie durchs Buschwerk
Kollegialisch wie ein Nymphlein angrinst,
Resolut ein aufgewipptes Näschen,
Lacht laut auf und fängt ein altes Liedchen,
Das vielleicht mal ihrer Amme einfiel,
Als der Mondschein sie nicht schlafen liess,
Und das heut ihr wieder wie ein Schwälblein
Neckisch durch den kleinen, krausen Sinn schiesst,
Leise vor sich hinzusummen an:

„Ach wenn ich es doch nur wüsste, wüsste,
Wie ein Liebster seine Liebste küsste!“
„Wölklein, das dort um das Tännlein flattert,
Vöglein, das dort um das Nestlein girrt,
Und du Bäumlein, das so weiss dort blüht,
Sag mir doch, wo schlägt das Herz des Frühlings?

Flötet es die Nachtigall ins Mondlicht,
Wiegt’s der Apfelbaum in seinen Blüthen,
Oder jauchzt’s mir in der eignen Brust?

Ach, wenn ich es doch nur wüsste, wüsste,
Wie ein Liebster seine….“ doch das Liedlein
Blieb erschreckt in ihrem Hälslein stecken!

Lachend bog er eben um die Linde,
Die so schrecklich indiskret und breit ist,
Nahm sie fest in seine beiden Arme,
Dass die Blumen kichernd aus dem Körbchen
Und das Körbchen in die Blumen fiel,
Und – sie wussten, wo des Frühlings Herz schlägt!

Literarische Liebenswürdigkeiten

Judenjungen, deren Bildung im Schweinefleischessen besteht, spreitzen sich auf den kritischen Richterstühlen, und erheben nicht nur Armseeligkeitskrämer zu den Sternen, sondern injuriiren sogar ehrenwerthe Männer mit ihren Lobsprüchen, – Reimschmiede, die so dumm sind, dass jedesmal, wenn ein Blatt von ihnen ins Publikum kommt, die Esel im Preise aufschlagen, heissen ausgezeichnete Dichter, – Schauspieler, die so langweilig sind, dass natürlich alles vor Freuden klatscht, wenn sie endlich einmal abgehn, heissen denkende Künstler, – Vetteln, deren Stimmen so scharf sind, dass man ein Stück Brod damit abschneiden könnte, titulirt man ächt dramatische Sängerinnen! – Die Muse der Tragödie ist zur Gassenhure geworden, denn jeder deutsche Schlingel nothzüchtigt sie und zeugt mit ihr fünfbeinige Mondkälber, welche so abscheulich sind, dass ich den Hund bedaure, der sie anpisst! Die Wörter: „genial, sinnig, gemüthlich, trefflich“ werden so ungeheuer gemissbraucht, dass ich schon die Zeit sehe, wo man, um einen entsprungenen, über jeden Begriff erbärmlichen Zuchthauskandidaten vor dem ganzen Lande auf das unauslöschlichste zu infamiren, an den Galgen schlägt: N. N. ist sinnig, gemüthlich, trefflich und genial! – O, stände doch endlich ein gewaltiger Genius auf, der, mit göttlicher Stärke von Haupt zu Fuss gepanzert, sich des deutschen Parnasses annähme und das Gesindel in die Sümpfe zurücktriebe, aus welchen es hervorgekrochen ist!
Christian Dietrich Grabbe


1 Star2 Stars3 Stars4 Stars5 Stars (2 votes, average: 4,00 out of 5)

Gedichte En miniature - Holz