Gedichte Auf dem Friedhof von Zeesen

Ich steig vom Rad.
Ein Grab im märkischen Sande.
Hier ruht ein Wesen:
Mädchen, Kind und Weib.
Sie wurde vierzehn Jahre alt –
Und tanzte im Takt des Pulsschlags in den Fiebertod.

Sie hatte Augen, um das Licht zu halten.
Das Auge brach.
Das Licht glänzt ungebrochen.
Sie hatte zarte Füße, auf der Erde zu schreiten –
Und die Erde rollt noch immer.

Sie hatte Hände, einen Zweig zu biegen.
Der Zweig weht immer noch im Sommerwinde.
Sie hatte Lippen, einen Mann zu küssen.
Sie ging hinab, eh‘ sie ein Jüngling küßte.

Wir werfen Netze, um den Wind zu fangen.
Wir stellen Schlingen für die Wolkenvögel.
Wir schreien, um an Gottes Ohr zu rühren. –
Gott hört am Sirius den Äther singen.

Wir steigen Berge, himmelstürmende,
Um jäh in einem feuchten Loch zu enden.
Libellen schaukelten um unsern Morgen,
Und unsere Nacht umschwirren Fledermäuse.


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