Gedichte Ballade vom Bolschewik

Wir kamen in die Städte aus der Steppe
Gleich Wölfen mager, hungrig und verlaust.
Wie seidig rauscht der schönen Damen Schleppe,
Um die der Südwind unsrer Sehnsucht braust.

Wir hatten harte Erde zu beackern,
Der arme Vater und der ärmre Sohn.
Wir hörten früh um fünf die Hühner gackern,
Und bis um zehn Uhr abends nichts als Fron.

Des Mittags gab es eine dünne Suppe,
Am Sonntag schwamm ein Klumpen Fleisch darin.
Auf der Waldai süss bestrahlter Kuppe
Sass thronend unsrer Herzen Herzogin.

Wir dachten ohne Kopf: nur kahle Stümpfe,
Und wenn wir tanzten, tanzte nur das Bein.
Die braune Tiefe der Rokitnosümpfe
Gebar der Kröte leise Litanein.

Zuweilen, von der Sonne überspiegelt,
Sank eine träge Frau mit uns in Gott.
Dann flogen wir für einen Tag beflügelt
Zum Frühlingsfest nach Nischni-Nowgorod.

Wir töteten, doch sanft und nicht gehässig.
Wir soffen literweise Schnaps und Bier.
Man schlug uns lachend. Und wir lasen lässig
Des Popen zart zerlesenes Brevier.

Wir aus den Tiefen sind nun hochgekommen,
Wir armen Armen wurden endlich reich.
In unsrer Dämmrung ist ein Licht erglommen,
Ein Heiligenschein beglänzt die Stirnen bleich.

Wie auf. der Kirmes in die Luft geschaukelt
Ist unser Schicksal jetzt. Nun prügeln wir,
Von Schmetterling und Nachtigall umgaukelt,
Und Kaiserpferd und – hure zügeln wir.

Nun darf er fressen, brüllen, saufen, huren,
Wie Zar und König einst: der Bolschewik.
Die blutend in das Fegefeuer fuhren:
Sie liessen ihm ihr diamantnes Glück.

Es jagt mit seinem Weib in der Karosse
Der Kommissär, um den der Weihrauch dampft.
Entrechtet wälzt sich in der grauen Gosse
Der Bourgeois, geknechtet und zerstampft.

Die Prinzen winselten im Kirchenchore,
Des Hofes Damen schleifte man am Haar.
Der Thron zerborst. Auf der Palastempore
Steht mager, bleich und klein der rote Zar!

Ihr alle Brüder einer dumpfen Rasse,
Ihr Untersten aus Nacht empor zur Macht!
Noch nicht genug vom wilden Klassenhasse
Ist in den dunklen Seelen euch entfacht!

Eh nicht die letzten an den Galgen hängen,
Die euer Blut in Münze umgeprägt,
Eh nicht der Freiheit Adler in den Fängen
Der alten Knechtschaft Pestkadaver trägt,

Eh wird nicht Friede werden hier auf Erden.
Ein Stern erglänzt. Es spricht der neue Christ! –
Ein Echo wie von Polizistenpferden,
Und jauchzend bricht ins Knie der Rotgardist.


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