Gedichte Die Mondsüchtige

Wandelnd auf des Daches First,
Auf der Mauer schmalem Rande,
Schreitet sie, die Hohe, Milde,
In des Mondes sanftem Licht.

Wie Musik ertönt ihr Schweben,
Ihre Füße gleiten gläsern.
Ihre Hände klingen leise,
Ihre Augen sind geschlossen.

Hinter ihr der treue Diener
Achtet ihrer Schritte, daß sie
Über einen Strahl nicht strauchle,
Sorglich hütet sie: ihr Schatten.

Gottgeheimnis, Götzenzauber,
Weiße Statue der Sehnsucht
Schreitet sie: ich streck‘ vergeblich
Meine Hände nach ihr aus.

O wie halt ich die Entschreitende,
O wie bann ich die Entgleitende,
Aber ruf‘ ich: stürzt sie nieder.
Aber schrei ich: ists ihr Tod.

Und so schreitet sie vorüber,
Ist auf ewig mir verloren.
Eine Wolke löscht den Mond aus.
Einsam stehe ich im Dunkeln.


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