I
Da nun der Regen rinnt
Und die Wolken wandern,
Bin ich bei niemandem
Denn bei mir.
Kein Baum, den ich nicht bog im Frühling,
Die zarten Blüten zu betrachten.
Ach im Gehäuse des Kelches
Sass der schwarze Wurm.
Früchte sind süss dem, der sie müh-selig zog;
Am herbstlichen Spalier die goldnen Birnen!
Den Greisen wärmt ein winterlicher Herd,
Den Jüngling die heisse Brust seines Mädchens.
Geh über die Brücke, wo der Fluss rauscht.
Blicke stromauf, stromab.
Was weisst du von dir?
Algen und Wasserspinnen treiben auf den Wogen.
II
Ich sah
Den goldnen Sperber
Aus der Sonne geschleudert
Wie Honig aus Waben.
Kleine Sonne,
Kreiste er über den Iristeichen.
Die Wellen
Tropften von seinem Glanze.
Er hielt im Schnabel
Die tönende Triangel des Frühlings.
III
Wie lang ists her, dass ich mit dir im Grase lag.
Das geflügelte Ur-insekt schwirrte über uns.
Ich fing mit der Hand schlanke Ringelnattern
Und hing dir ein Dutzend um den nackten Leib.
In den Felsen spielte der Wind auf dem belaubten Cello.
Vom Monte Ceneri schossen die Soldaten
In die leere Luft.
Schuss auf Schuss klang zwischen unsren Küssen.
Warum nicht traf uns eine verirrte Kugel,
Ehe sich Lippe von Lippe löste?
Unser seliges Aas hätten dankbar gesegnet
Aaskäfer, Ameise, Geier und wilder Fuchs.
IV
Die Hände vor dem Antlitz
Träumt
Der Gott.
Seine Wälder sind tot,
Seine Berge in die Ebene gestürzt,
Und ohne Lieder
Fliegen die Vögel.
Seine Priester schänden
Des Sterbenden Sanftmut.
Mit eisernen Sohlen geht der Mensch
Durch die Saaten.
ER beugt seine einsame Stirn
Zum Waldteich hinab.
Die Wellen rauschen über die Runzeln
Und füllen sein leeres Aug
Mit Tränen.
V
Ich habe das heiligste Herz verloren.
Ich habe allen Schmerz der Welt getragen.
Sechs Monate lag ich über einem Grabe
Und jaulte wie ein Hund.
Ich habe in die Sonne gebellt,
Ich habe in den Mond gebellt,
Einsamer war ich wie der Dipplodocus.
Aber nun reisst es mich empor,
Jemand biegt meinen Kopf zurück, dass meine Nackenmuskeln knacken,
Und ein bärtiger Mann, mit einem Ziegenfell bekleidet,
Lächelt wie der Himmel über mir,
Donnert wie der Himmel über mir:
Lebe!
VI
Es frommt
Dem Frommen,
Zu tanzen über die Erde.
Wem ein Glück glückt,
Der halt es fest.
Wie leicht verdüftet
Der firne Wein.
Ein zweites Mal
Durchs offene Abendfenster
Schwebt nicht der heilige Vogel der Nacht.
Deck zu den Wein,
Schliess zu das Fenster.
Der Wein bleibt süss,
Der Vogel bleibt dir treu.
VII
Grete G.
Nicht werde ich vergessen deine Brust,
Die tönende Ampel,
Darin dein Herz leuchtet,
Du Samtene!
Oft
Wenn ich erwache des Nachts,
Sehe ich dich wie einen silbernen Delphin
Durch die Gewässer des Dunkels schwimmen.
Oder am Tage:
Aus dem Asphalt
Blüht ein Gesträuch,
Und dein Duft
Wirft mich besinnungslos auf den Stein.
VIII
Frühlingsgewölk. Die Stare
Singen schön.
Die ersten Regentropfen trillern
Am Dach.
Die Wetterfahne weht
Nach Süden.
Die kleine Wiese
Weiss viel.
Träum ich die Tanne?
Träumt die Tanne mich?
Es lebt und stirbt
Sich leicht.
IX
Und vergib mir:
Ich tat,
Was Gott allein zu tun geziemt:
Nahm deine Hand für meine,
Dein Herz für meines.
Mich verwirrte
Die schöne Nacht,
Der goldne Stern im Strauch
Und dann der namenlose Duft der Linde.
Verzeih.
X
Wohl ziehen wilde Gänse
Über den Horizont.
Aber der Mensch bleibt
Klein im sumpfigen Kolk.
Denn seine Wimpern sind verklebt
Mit Argwohn,
Und Ikarus träumt.
Der Jäger hebt
Das tönende Rohr
Im Röhricht.
Die Triangel der wilden Gänse
Zerreisst.
Der Spitzenvogel
Klatscht
In den Sumpf,
Wo der Mensch mit der fahlen Fratze steht
Und verlegen
Vor dem brechenden Auge des Vogels
Den grünen Hut in den Fingern dreht.
XI
Eiche,
Du fassest Wurzeln
Und stehst.
Uns aber treibt
Ein Unruh
Und Verlangen
Von hier nach dort.
Mir ruft die Höhe,
Mir ruft die Tiefe,
Der Engel der Mitte
Begnadet mich nicht.
Zerrissen, zerrissen,
Ich fasse am Ende
Die knochigen Hände
Des fraulichen Tods.
* * *
Aus meinem Grabe
Die Säfte sie steigen
In deine Wurzeln,
Beständige Eiche.
So finde ich Ruhe
Und Stärke
In dir.