Gedichte O Mutter halte dein Kindlein warm

O Mutter halte dein Kindlein warm,
Die Welt ist kalt und helle,
Und trag es fromm in deinem Arm
An deines Herzens Schwelle.

Leg‘ still es, wo dein Busen bebt,
Und leis herab gebücket
Harr‘ liebvoll, bis es die Äuglein hebt,
Zum Himmel selig blicket.

Und weck‘ ich dich mit Tränen nicht,
So weck‘ ich dich mit Küssen,
Aus deinem Aug‘ mein Tag anbricht,
Sonn, Mond dir weichen müssen,

O du unschuld’ger Himmel du!
Du lachst aus Kindesblicken,
O Engelsehen, o sel’ge Ruh‘,
In dich mich zu entzücken.

Ich schau‘ zu dir so Tag als Nacht,
Muß ewig zu dir schauen,
Und wenn mein Himmel träumend lacht,
Wächst Hoffnung und Vertrauen.

Komm her, komm her, trink meine Brust,
Leben von meinem Leben,
O könnt‘ ich alle fromme Lust
Aus meiner Brust dir geben.

Nur Lust, nur Lust, und gar kein Weh,
Ach du trinkst auch die Schmerzen,
So stärke Gott in Himmelshöh‘
Dich Herz aus meinem Herzen.

Vater unser, der du im Himmel bist,
Unser täglich Brot gieb uns heute,
Getreuer Gott, Herr Jesus Christ,
Tränk‘ uns aus deiner Seite.

Du strahlender Augenhimmel du
Du taust aus Mutteraugen,
Ach Herzenspochen, ach Lust, ach Ruh‘,
An deinen Brüsten saugen.

Ich schau‘ zu dir so Tag als Nacht
Muß ewig zu dir schauen,
Du mußt mir, die mich zur Welt gebracht,
Auch nun die Wiege bauen.

Um meine Wiege laß Seide nicht,
Laß deinen Arm sich schlingen,
Und nur deiner milden Augen Licht
Laß zu mir niederdringen.

Und in deines keuschen Schoßes Hut
Sollst du deine Kindlein schaukeln,
Daß deine Kinder so lieb, so gut,
Wie Träume mich umgaukeln.

Da träumt mir, wie ich so ganz allein
Gewohnt dir unterm Herzen,
Da waren die Freuden, die Leiden dein
Mir Freuden auch und Schmerzen.

Und ward dir dein Herz ja allzu groß
Und hattest nicht, wem klagen,
Und weintest du still in deinen Schoß,
Half ich dein Herz dir tragen.

Da rief ich, komm, lieb‘ Mutter komm!
Kühl‘ dich in Liebeswogen,
Da fühltest du dich so still, so fromm
In dich hinabgezogen.

So mutterselig ganz allein
In deiner Lust berauschet,
Hab‘ ich die klare Seele dein
Du reines Herz belauschet.

Was heilig in dir zu aller Stund‘
Das bin ich all gewesen,
Nun küß mich süßer Mund gesund,
Weil du an mir genesen.

O selig, selig ohne Schuld,
Wie konnt‘ ich mit dir beten,
O wunderbare Ungeduld,
Ans scharfe Licht zu treten.

O Mutter halte dein Kindlein warm,
Die Welt ist kalt und helle,
Und trag es fromm, bist du zu arm,
Hin an des Grabes Schwelle.

Leg‘ es in Linnen, die du gewebt,
Zu Blumen, die du gepflücket,
Stirb mit, daß wenn es die Äuglein hebt,
Im Himmel es dich erblicket.

So lallt zu dir ein frommes Herz,
Und nimmer lernt es sprechen,
Blickt ewig zu dir, blickt himmelwärts
Und will in Freuden brechen.

Bricht’s nicht in Freud‘, bricht’s doch in Leid,
Bricht es uns allen beiden.
Ach Wiedersehen geht fern und weit,
Und nahe geht das Scheiden!


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