Gedichte Die Räuber

Ich war, ein Knabe, in den Wald gegangen
Mit meinen Brüdern. Wie die wilden Rangen
Den Ferienmorgen durch die Büsche trieben,
Daß er entfloh, als hätt‘ er Hasenläufe.
Und selber jagten sie sich umeinander,
Hierhin, dorthin, wie steuerlose Brander.
Und wirklich wär bald nichts vom Wald geblieben,
Als funkenüberstreute Aschenhäufe.

Ein rechter Räuber, seines Werts durchdrungen,
Und sei er auch der Schule just entsprungen,
Kann nicht der Bürger glatte Wege wandeln,
Wo Förster und Magister ihm begegnen.
Er braucht das Dickicht, wo kein Hund ihn wittert,
Braucht finstre Höhlen, buschwerkübergittert,
Wo kein Gesetz ihm lähmt das kühne Handeln
Und keine Prügel in sein Handwerk regnen.

O Freiheit, deine roten Flammen schlugen
So stürmisch nie, und keine Hände trugen
So hochgemut die lodernden Fanale;
Wir waren Räuber und dazu Indianer,
Zum „Großen Adler“ wurde Hänschen Meier,
Und Müllers Fritzchen zum „Gefleckten Geier“,
Die Friedenspfeife ging zum dritten Male
Von Hand zu Hand, und blaß saß der Quartaner.

Und schweigend qualmten um die dürren Reiser
Die tapfern Krieger, jeder Held ein Weiser,
Im großen Rat: und durch die Buchenrunde
Zog sacht der Rauch des Feuers und der Pfeifen.
Dann ging die Flasche mit dem Himbeersafte,
Die der verwegene Häuptling sich verschaffte,
„Der große Büffel“, still von Mund zu Munde.
Ein Pfiff! Und nach dem Kriegsbeil galt’s zu greifen.

Ihr Knabenspiele unter Sommerbuchen,
Wo soll ich köstlichere Freuden suchen,
Als die aus eurem tollen Treiben sprossen,
Wie helle Rosen aus den wilden Ranken.
Doch Dornen hatten, weh! auch diese Rosen,
Und sie zerrissen nicht allein die Hosen,
Auch rotes Blut ist jämmerlich geflossen,
Und dann, zu Haus, der Räubermutter Zanken.

Und einmal mußten wir die Häuptlingsrücken,
O Schmach für Helden, untern Stecken bücken.
Den großen Büffel nahm man fest beim Horne,
Der große Adler mußte Federn lassen
Denn aus der Asche unsrer Höhlenscheite
Erstand ein Kläger, der in alle Weite
Die Klage rief. Die ward zum Todesdorne
Für unsern Mut und ließ uns feig erblassen.

Der Wald in Flammen! Weh, die Schrecksekunde!
Wir zitterten. Nun ist die letzte Stunde
Für euch gekommen, und die Messer blitzten,
Kreisrund den Skalp von eurem Haupt zu trennen.
Der Wald in Flammen! Förster, Polizisten,
Kerker, Schafott, ringsum die Stadtgardisten –
Doch nein, man wird euch schon die Haut nicht ritzen.
Mut, großer Büffel! Nur die Weiber flennen.

Die Zähne fest! Und Hiebe gab es, Hiebe!
Und ist die Züchtigung ein Wort der Liebe,
Kein Vater liebte heißer seine Knaben
Und mehr als sie verdienten, wie ich meine:
Zwei junge Buchen waren draufgegangen,
Und unsres Wigwams rauchgeschwärzte Stangen
Schrien unsre Schandtat in das Ohr des Raben,
Der Krumen las an unserm Opfersteine.


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Gedichte Die Räuber - Falke