Heym
Die Vorstadt
In ihrem Viertel, in dem Gassenkot, Wo sich der große Mond durch Dünste drängt, Und sinkend an dem niedern Himmel…
Der Schläfer im Walde
Seit Morgen ruht er. Da die Sonne rot Durch Regenwolken seine Wunde traf. Das Laub tropft langsam noch. Der Wald…
Der Garten der Irren
Am roten Teiche stehen viele Schatten Bei dünner Bäume schwächlichem Gesichte, In Stille fort. Nur selten daß sich einer Herunter…
Gegen Norden
Die braunen Segel blähen an den Trossen, Die Kähne furchen silbergrau das Meer. Der Borde schwarze Netze hangen schwer Von…
Laubenfest
Schon hängen die Lampions wie bunte Trauben An langen Schnüren über kleinen Beeten, Den grünen Zäunen, und von den Staketen…
Der Winter
Der blaue Schnee liegt auf dem ebenen Land, Das Winter dehnt. Und die Wegweiser zeigen Einander mit der ausgestreckten Hand…
Die Schläfer
Jakob van Hoddis gewidmet Es schattet dunkler noch des Wassers Schoß, Tief unten brennt ein Licht, ein rotes Mal Am…
Die Tote im Wasser
Die Masten ragen an dem grauen Wall Wie ein verbrannter Wald ins frühe Rot, So schwarz wie Schlacke. Wo das…
Hora Mortis
Gebannt in die Trauer der endlosen Horizonte, Wo nur ein Baum sich wand unter Schmerz, Sanken wir, Bergleuten gleich, in…
Marengo
Schwarzblau der Alpen, und der kahlen Flur, Die Südsturm drohn. Mit Wolken tief verhangen Ist grau das Feld. Ein ungeheures…
Die Meerstädte
Mit den segelnden Schiffen fuhren wir quer herein In die Städte voll Nacht und frierender Häfen Schein. Tausend Treppen leere…
Die Höfe luden uns ein, mit den Armen schmächtig
Die Höfe luden uns ein, mit den Armen schmächtig, Faßten unserer Seelchen zipfeliges Kleid. Und wir entglitten durch Tore nächtig…
Marathon
I Zehntausend steigen von den Bergen nieder, Die Blüte Hellas‘, sich dem Tod zu weihen. Durch Morgendämmrung ziehen ihre Reihen….
Styx
I Die Nebel graun, die keinem Winde weichen. Die giftigen Dünste schwängern weit das Tal. Ein blasses Licht scheint in…
Die Gefangenen I
Sie trampeln um den Hof im engen Kreis. Ihr Blick schweift hin und her im kahlen Raum. Er sucht nach…
Der Garten
Der Mund ist feucht. Und wie bei Fischen breit Und leuchtet rot in dem toten Garten. Sein Fuß ist glatt…
Die Heimat der Toten
I Der Wintermorgen dämmert spät herauf. Sein gelber Turban hebt sich auf den Rand Durch dünne Pappeln, die im schnellen…
Der Tag
Palmyras Tempelstaub bläst auf der Wind, Der durch die Hallen säuselt in der Zeit Des leeren Mittags, wo die Sonne…
Verfluchung der Städte V
Ihr seid verflucht. Doch eure Süße blüht Wie eines herben Kusses dunkle Frucht, Wenn Abend warm um eure Türme sprüht,…
Louis Capet
Die Trommeln schallen am Schafott im Kreis, Das wie ein Sarg steht, schwarz mit Tuch verschlagen. Darauf steht der Block….
Träumerei in Hellblau
Alle [Landschaften] haben Sich mit Blau gefüllt. Alle Büsche und Bäume des Stromes, Der weit in den Norden schwillt. Blaue…
Ophelia
I Im Haar ein Nest von jungen Wasserratten, Und die beringten Hände auf der Flut Wie Flossen, also treibt sie…
Der Hunger
Er fuhr in einen Hund, dem groß er sperrt Das rote Maul. Die blaue Zunge wirft Sich lang heraus. Er…
Die blinden Frauen
Die Blinden gehn mit ihren Wärterinnen, Schwarze Kolosse, Moloche aus Ton, Die Sklaven vorwärts ziehn. Und sie beginnen Ein Blindenlied…
Spitzköpfig kommt er über die Dächer hoch
Spitzköpfig kommt er über die Dächer hoch Und schleppt seine gelben Haare nach, Der Zauberer, der still in die Himmelszimmer…
Die Nacht III
Jetzt schlafen viele, wie in weißen Särgen, Und in den Wänden sieht man Betten stehen, Darin sich schaukelnd große Köpfe…
Die Dämonen der Städte
Sie wandern durch die Nacht der Städte hin, Die schwarz sich ducken unter ihrem Fuß. Wie Schifferbärte stehen um ihr…
Die Tauben II
Doch nachts im Schatten ihrer hohen Träume Wie unter großer Eichen kühlem Dach Klingt um sie laut das Dunkel hundertfach…
Die Tänzerin in der Gemme
Lange verschlossen, tief im runden Steine Mit einem Trauerbaum und wenig Zweigen, Noch dreht sie um den Hals den sanften…
Pilatus
Ein Lächeln schiefen Grames, das verschwindet Hinein in seiner Stirne weißes Tor. Er sitzt auf seinem Stuhl. Seine Hände erhoben…
Die Ruhigen
Ernst Balcke gewidmet Ein altes Boot, das in dem stillen Hafen Am Nachmittag an seiner Kette wiegt. Die Liebenden, die…
Die Stadt der Qual
Epôs hos en ktêmasin pipteis. Ich bin in Wüsten eine große Stadt Hinter der Nacht und toten Meeren weit. In…
Die Stadt
Sehr weit ist diese Nacht. Und Wolkenschein Zerreißet vor des Mondes Untergang. Und tausend Fenster stehn die Nacht entlang Und…
Berlin II
Beteerte Fässer rollten von den Schwellen Der dunklen Speicher auf die hohen Kähne. Die Schlepper zogen an. Des Rauches Mähne…
Die Irren
Variation Ein Königreich. Provinzen roter Wiesen. Ein Wärter, eine Peitsche, eine Kette. So klappern wir in Nessel, Dorn und Klette…
Die neuen Häuser
Im grünen Himmel, der manchmal knallt Vor Frost im rostigen Westen, Wo noch ein Baum mit den Ästen Schreit in…
Sonnwendtag
Es war am Sommersonnwendtag, Dein braunes Haar im Nacken lag Wie Gold und schwere Seiden. Da nahmst du mir die…
Die Irren II
Der Tod zeigt seine weiße Leichenhaut Vor ihrer Kerkerfenster Arsenal. Das schwarze Dunkel schleicht in trübem Laut Geborstner Flöten durch…
Der Gott der Stadt
Auf einem Häuserblocke sitzt er breit. Die Winde lagern schwarz um seine Stirn. Er schaut voll Wut, wo fern in…
Der Blinde
Man setzt ihn hinter einen Gartenzaun. Da stört er nicht mit seinen Quälerein. „Sieh dir den Himmel an!“ Er ist…
Robespierre
Er meckert vor sich hin. Die Augen starren Ins Wagenstroh. Der Mund kaut weißen Schleim. Er zieht ihn schluckend durch…
Nach der Schlacht
In Maiensaaten liegen eng die Leichen, Im grünen Rain, auf Blumen, ihren Betten. Verlorne Waffen, Räder ohne Speichen, Und umgestürzt…
Die Züge
Rauchwolken, rosa, wie ein Frühlingstag, Die schnell der Züge schwarze Lunge stößt, Ziehn auf dem Strom hinab, der riesig flößt…
Die Seefahrer
Die Stirnen der Länder, rot und edel wie Kronen Sahen wir schwinden dahin im versinkenden Tag Und die rauschenden Kränze…
Die Städte
Der dunkelnden Städte holprige Straßen Im Abend geduckt, eine Hundeschar Im Hohlen bellend. Und über den Brücken Wurden wir große…
Kata
Ein roter Donner. Und die Sonne tost, Ein Purpurdrachen. Sein gezackter Schwanz Peitscht hoch herauf der weiten Himmel Glanz, Der…
Der Frühling V
Er stirbt am Waldrand. Mit verhaltnem Laut Klagt schon sein Schatten an des Hades Tor. Der Kranz von Lattich, den…
Die Irren I
Papierne Kronen zieren sie. Sie tragen Holzstöcke aufrecht auf den spitzen Knien. Und ihre langen, weißen Hemden schlagen Um ihren…
Die Irren V: Die Somnambulen
Schon braust die Mitternacht. Mit langem Haar In weiße Tücher feierlich gehüllt Zieht schwankend auf der Somnambulen Schar, Wie Rauch…
Mit den fahrenden Schiffen
Mit den fahrenden Schiffen Sind wir vorübergeschweift, Die wir ewig herunter Durch glänzende Winter gestreift. Ferner kamen wir immer Und…
Hymne
Unendliche Wasser rollen über die Berge, Unendliche Meere kränzen die währende Erde, Unendliche Nächte kommen wie dunkele Heere Mit Stürmen…
Das infernalische Abendmahl
I Ihr, denen ward das Blut vor Trauer bleich, Ihr, die der Sturm der Qualen stets durchrast, Ihr, deren Stirn…
Das Fieberspital
I Die bleiche Leinwand in den vielen Betten Verschwimmt in kahler Wand im Krankensaal. Die Krankheiten alle, dünne Marionetten, Spazieren…
Die Vögel
Wie trübe Morgen langsamer Tage Über den Seen und Sümpfen voll Klage Über dem schillernden Schilf ruht die Nacht Regen…
Meine Seele
Golo Gangi gewidmet Meine Seele ist eine Schlange, Die ist schon lange tot, Nur manchmal in Herbstesmorgen, Entblättertem Abendrot Wachse…
Berlin VIII
Schornsteine stehn in großem Zwischenraum Im Wintertag, und tragen seine Last, Des schwarzen Himmels dunkelnden Palast. Wie goldne Stufe brennt…
Der Tod der Liebenden
Durch hohe Tore wird das Meer gezogen Und goldne Wolkensäulen, wo noch säumt Der späte Tag am hellen Himmelsbogen Und…
Die Messe
Bei dreier Kerzen mildem Lichte Die Leiche schläft. Und hohe Mönche gehen Um sie herum, und legen ihre Finger Manchmal…
Der fliegende Holländer
I Wie Feuerregen füllt den Ozean Der schwarze Gram. Die großen Wogen türmt Der Südwind auf, der in die Segel…
Simson
In leeren Sälen, die so weit Wie leerer Atem, im Abende tot Stehet er breit mit dem Feierkleid Und der…
Die Professoren
Zu vieren sitzen sie am grünen Tische, Verschanzt in seines Daches hohe Kanten. Kahlköpfig hocken sie in den Folianten, Wie…
Der Baum
Am Wassergraben, im Wiesenland Steht ein Eichbaum, alt und zerrissen. Vom Blitze hohl, und vom Sturm zerbissen. Nesseln und Dorn…
Der Nebelstädte
Der Nebelstädte Winzige Wintersonne Leuchtet mir mitten ins gläserne Herz. Das ist voll vertrockneter Blumen Gleich einem gestorbenen Garten. [Alles,…
Halber Schlaf
Die Finsternis raschelt wie ein Gewand, Die Bäume torkeln am Himmelsrand. Rette dich in das Herz der Nacht, Grabe dich…
Allerseelen
Geht ein Tag ferne aus, kommt ein Abend. Brennt ein Stern in der Höhe zur Nacht. Wehet das Gras. Und…
An Hildegard K
Deine Wimpern, die langen, Deiner Augen dunkele Wasser, Laß mich tauchen darein, Laß mich zur Tiefe gehn. Steigt der Bergmann…
Die Menschen stehen vorwärts in den Straßen
Die Menschen stehen vorwärts in den Straßen Und sehen auf die großen Himmelszeichen, Wo die Kometen mit den Feuernasen Um…
Die Gefangenen II
Den harten Weg entlang im kurzen Trab Zieht sich der Sträflingstrupp, der heim marschiert Durch kahle Felder in das große…
Fröhlichkeit
Es rauscht und saust von großen Karussellen Wie Sonnen flammend in den Nachmittagen. Und tausend Leute sehen mit Behagen, Wie…
Gruft I
Die in der großen Gruft des Todes ruhen, Wie schlafen sie so stumm im hohlen Sarg. Des Todes Auge schaut…
Die Schlösser
Alt von Blute, und manches im toten Munde Kauen sie Dunkel – Wo große Schwerter geblitzt. Trübe Gelage zur Nacht…
Fronleichnamsprozession
O weites Land des Sommers und der Winde, Der reinen Wolken, die dem Wind sich bieten. Wo goldener Weizen reift…
Bist du nun tot? Da hebt die Brust sich noch
Bist du nun tot? Da hebt die Brust sich noch, Es war ein Schatten, der darüber fegt, Der in der…
Luna I
Den blutrot dort der Horizont gebiert, Der aus der Hölle großen Schlünden steigt, Sein Purpurhaupt mit Wolken schwarz verziert, Wie…
Judas
Die Locke der Qual springt über der Stirne Drin wispern Winde, und viele Stimmen Die wie Wasser vorüberschwimmen. Doch er…
Columbus
12. Oktober 1492 Nicht mehr die Salzluft, nicht die öden Meere, Drauf Winde stürmen hin mit schwarzem Schall. Nicht mehr…
Die Morgue
Die Wärter schleichen auf den Sohlen leise, Wo durch das Tuch es weiß von Schädeln blinkt. Wir, Tote, sammeln uns…
Berlin I
Der hohe Straßenrand, auf dem wir lagen, War weiß von Staub. Wir sahen in der Enge Unzählig: Menschenströme und Gedränge,…
Der Krieg I
Aufgestanden ist er, welcher lange schlief, Aufgestanden unten aus Gewölben tief. In der Dämmrung steht er, groß und unerkannt, Und…
Schwarze Visionen
An eine imaginäre Geliebte I Du ruhst im Dunkel trauriger Askesen In deinem weißen Tuch, ein Eremit, Und deine Locken,…