1.
Die Tugend pflastert uns die rechte Freudenbahn /
Sie kan den Nesselstrauch zu Lilgenblättern machen /
Sie lehrt uns auf dem Eis und in dem Feuer lachen /
Sie zeiget wie man auch in Banden herrschen kan /
Sie heisset unsern Geist im Sturme ruhig stehen /
Und wenn die Erde weicht / uns im Gewichte gehen.
2.
Es giebt uns die Natur Gesundheit / Krafft und Muth /
Doch wo die Tugend nicht wil unser Ruder führen /
Da wird man Klippen / Sand und endlich Schifbruch spüren /
Die Tugend bleibet doch der Menschen höchstes Gutt /
Wer ohne Tugend sich zu leben hat vermessen /
Ist einem Schiffer gleich / so den Compaß vergessen.
3.
Gesetze müssen ja der Menschen Richtschnur seyn /
Wer diesen Pharus ihm nicht zeitlich wil erwehlen /
Der wird / wie klug er ist / des Hafens leicht verfehlen;
Und läuffet in den Schlund von vielen Jammer ein /
Wem Lust und Uppigkeit ist Führerin gewesen /
Der hat vor Leitstern ihm ein Irrlicht auserlesen.
4.
Diß / was man Wollust heist / verführt und liebt uns nicht /
Die Küsse so sie giebt / die triffen von Verderben /
Sie läst uns durch den Strang der zärtsten Seide sterben /
Man fühlet wie Zibeth das matte Hertze bricht /
Vergifter Hypocras wil uns die Lippen rühren /
Und ein ambrirte Lust zu Schimpf und Grabe führen.
5.
Die Tugend drückt uns doch als Mutter an die Brust /
Ihr Gold und Edler Schmuck hält Farb und auch Gewichte /
Es leitet ihre Hand uns zu dem grossen Lichte;
Wo sich die Ewigkeit vermählet mit der Lust.
Sie reicht uns eine Kost / so nach dem Himmel schmecket /
Und giebt uns einen Rock / den nicht die Welt beflecket.
6.
Die Wollust aber ist / als wie ein Unschlichtlicht /
So helle Flammen giebt / doch mit Gestanck vergehet /
Wer bey dem Epicur / und seinem Hauffen stehet /
Der lernt wie diese Waar / als dünnes Glas zerbricht /
Es kan die Drachenmilch uns nicht Artzney gewehren /
Noch gelbes Schlangengift in Labsal sich verkehren.